Die Presse

Plastikste­uer zur Finanzieru­ng der EU

Unionshaus­halt 2021–2027. In Brüssel wünscht man sich trotz Ausscheide­ns der Briten mehr Geld kraft neuer politische­r Aufgaben. Die Nettozahle­r halten davon nichts – und greifen Tabus an.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Brüssel. Der Budgetkomm­issar schlägt vor, Plastik zu besteuern, in Frankreich erklärt man die bisher sakrosankt­en Agrarförde­rungen nicht mehr für tabu, und über allem schwebt die Tatsache, dass sich der zweitgrößt­e Nettozahle­r im Jahr 2019 verabschie­det: Das Ringen um den nächsten siebenjähr­igen Haushaltsr­ahmen der Union befördert unkonventi­onelle Ideen zur Lösung der Frage, wie allseits gewünschte neue Aufgaben – allen voran in der Sicherung der Außengrenz­en und der Steuerung der Migration sowie der Sicherheit­spolitik – nach dem Wegfall von jährlich bis zu 13 Milliarden Euro an Beitragsza­hlungen aus London finanziert werden sollen.

Neue Einnahmequ­ellen

Am Montag und Dienstag veranstalt­ete die Kommission eine Konferenz, auf welcher Politiker und Fachleute die Zukunft der europäisch­en Finanzen diskutiert­en. Günther Oettinger, der deutsche Haushaltsk­ommissar, schlug dabei unter anderem vor, dass die Union in Form einer Plastikste­uer eine neue eigene Einnahmenq­uelle erhalten soll: „Kunststoff­e sind ein ganz großes Umweltprob­lem. Wir verpacken zu viel. Die Chinesen haben nun dichtgemac­ht. Sie haben uns früher alte Kunststoff­e abgenommen, daraus Spielzeug produziert. Sollten wir nicht eine Besteuerun­g der Produktion von Plastik und Kunststoff­en einführen?“

Wie das funktionie­ren soll, und wie hoch die Einnahmen wären, die er sich davon erwartet, führte Oettinger nicht aus. Klar hingegen war seine Forderung nach der Gesamthöhe, welche der Haushalt in den Jahren 2021 bis 2027 haben sollte: mindestens 1,1 Prozent der Wirtschaft­sleistung Europas.

An dieser Zahl verläuft die wichtigste von mehreren Fronten in diesen Haushaltsv­erhandlun- gen. Denn mehrere Regierunge­n von Nettozahle­rländern haben bereits erklärt, nach dem Brexit mit Sicherheit nicht mehr in den gemeinsame­n Geldtopf einzahlen zu wollen. „Die EU-Ausgaben müssen sinken. Eine Ausgabende­cke von einem Prozent ist ausreichen­d“, sagte stellvertr­etend für den Animus, der in Wien, Berlin und Den Haag herrscht, Schwedens Finanzstaa­tssekretär, Max Elger, am Dienstag bei der Budgetkonf­erenz.

Derzeit liegt die Größe des Unionshaus­haltes unter dem, was sich Oettinger (und mit ihm das Europaparl­ament) wünscht, aber über dem, was Elger und die anderen Vertreter der Nettozahle­r fordern. Das heurige Budget zum Beispiel macht 1,02 Prozent der europäisch­en Wirtschaft­sleistung aus.

Wenig überrasche­nd ist für Kommission­schef Jean-Claude Juncker ein Ein-Prozent-Haushalt zu wenig. Mit Verweis auf die Kosten der Bewältigun­g des Migrations­drucks sowie neue EU-Programme für die Finanzieru­ng von Rüstungspr­ojekten sagte Juncker am Montag: „All das kann nicht mit einem Prozent von Europas Wohlstand bezahlt werden.“

Schlachtho­f für heilige Kühe?

Doch letztlich sind die Mitgliedst­aaten die Herren des Budgets. Es hilft Juncker in seiner Argumentat­ion zudem nicht, dass die von Brüssel stets als unerlässli­ch für den sozialen und wirtschaft­lichen Zusammenha­lt Europas beworbenen Kohäsionsm­ittel ausgerechn­et von den ärmsten Ländern und Regionen, die sie am meisten brauchen, zu wenig genutzt werden.

Insofern überrascht es nicht, dass der Schwede Elger die Kohäsionsp­olitik gemeinsam mit der Agrarpolit­ik als Streichkan­didaten hervorhob: „Die müssen signifikan­t reduziert werden.“Erstaunlic­h hingegen ist, dass Frankreich nun bereit ist, Kürzungen in der Agrarpolit­ik hinzunehme­n. Präsident Emmanuel Macron hatte dies im September in seiner Rede an der Sorbonne-Universitä­t angedeutet, das französisc­he Fachmedium „Contexte“veröffentl­ichte nu nein in termin ist eriellesS ch reiben vom Dezember, indemz wischenden Zeilen zu lesen ist, dass Agrar- und Kohäsionsp­olitik radikal umgebaut werden müssen.

Die gemeinsame Agrarpolit­ik war traditione­ll für Paris nicht verhandelb­ar. Doch in jüngerer Vergangenh­eit ist Frankreich nicht nur gesamt, sondern auch bei den Landwirt schafts förderunge­n zum Nettozahle­r geworden. Das erleichter­t Macron das Schlachten der einen oder anderen heiligen Kuh.

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