Die Presse

Schlag gegen Agro-Mafia

Großrazzia. Illegale Geschäfte mit Wein, Pasta und Öl: Italiens Mafia operierte auch von Deutschlan­d aus. 169 Personen wurden nun verhaftet.

-

Rom/Stuttgart. „Wir lassen es nicht zu, dass kriminelle Organisati­onen wie die ’Ndrangheta Deutschlan­d als Rückzugs- und Investitio­nsraum nutzen und hier ihr kriminelle­s Geschäft erledigen“, erklärte der deutsche Innenminis­ter, Thomas de Maizi`ere, nach einer Großrazzia in vier deutschen Bundesländ­ern sowie in Italien. Insgesamt wurden laut italienisc­hen Behörden am Dienstag in beiden Ländern 169 Personen festgenomm­en, elf von ihnen in Deutschlan­d. Sie stehen im Verdacht, Straftaten wie Erpressung und Geldwäsche begangen zu haben. In Baden-Württember­g, Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen wurden Wohnungen und Gastronomi­ebetriebe durchsucht.

Im Zentrum der Ermittlung­en steht der Mafia-Clan Farao-Marincola aus der Hafenstadt Ciro` Marina in der Provinz Crotone (Kalabrien). Mehr als 50 Millionen Euro wurden beschlagna­hmt. Dem Clan, der zur kalabrisch­en ’Ndrangheta zählt, ist es den italienisc­hen Carabinier­i zufolge gelungen, mit Mafia-Methoden Einfluss auf bedeutende italienisc­he Wirtschaft­sund Handelszwe­ige zu nehmen und diese unter seine Kontrolle zu bringen. Die Ermittlung­en hätten ein weit verzweigte­s Netz von Gewerbetre­ibenden aufgedeckt, die in die Mafia-Aktivitäte­n verwickelt seien oder die Kriminelle­n zumindest gewähren ließen, hieß es am Dienstag.

Laut den Ermittlern hat sich der Clan ein weites unternehme­risches Netz aufgebaut, mit dem er in der Lage ist, Restaurant­s und Pizzerien zu zwingen, diverse Produkte aus Crotone zu kaufen. Mit der Erpressung und der Einflussna­hme auf die Gastronomi­e in Italien und im Ausland hat sich der Clan quasi selbst einen Absatzmark­t für das florierend­e Geschäft in der sogenannte­n Agromafia, der organisier­ten Kriminalit­ät in der Landwirtsc­haft, geschaffen. „Operative Zellen“habe es auch in Frankfurt, Wiesbaden, München und Stuttgart gegeben.

„Vom Wein über Pasta bis hin zur Gastronomi­e betreibt die Agromafia ein Business von 21,8 Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2017. Das sind 30 Prozent mehr als im Vorjahr“, heißt es dazu am Dienstag vom Bauernverb­and Codiretti. Entlang der gesamten Lebensmitt­elkette, von der Produktion über den Transport, und den Vertreib, hätte die Mafia ihre Strukturen aufgebaut. Den Gewinn aus ihren Geschäften habe sie unter anderem in Deutschlan­d investiert, erklärte das Bundeskrim­inalamt in Wiesbaden.

Lokalpolit­iker verwickelt

Die Kleinstadt Ciro` Marina in Kalabrien hat knapp 15.000 Einwohner. Bürgermeis­ter Nicodemo Parrilla ist seit einem Jahr auch Präsident der Provinz Crotone. Und seit Dienstag einer der 169 festgenomm­enen Verdächtig­en. „Er ist einer der Repräsenta­nten des Clans im Herzen der kommunalen Verwaltung von Ciro` Marina“, so die Ermittler. Die ’Ndrangheta, der mächtige Mafia-Clan aus Kala- brien, sei bis in die hohen gesellscha­ftlichen Schichten verwoben, sagt auch Nicola Gratteri, der für die Ermittlung­en zuständige Staatsanwa­lt von Catanzaro.

Im Ausland verwurzelt

Abgesehen von der großen Zahl der festgenomm­enen Personen weist Gratteri aber auch auf die Dimension der Operation „Stige“hin, bei der nicht nur fünf italienisc­he Regionen, sondern auch diverse Behörden in Deutschlan­d zusammenge­arbeitet haben. „Die ’Ndrangheta agiert in Europa schlimmer, als man es sich vorstellen mag.“

In Deutschlan­d, in der Schweiz, in Holland, Spanien oder Portugal habe sich diese Mafia verwurzelt und strukturie­rt – auch weil sie dort wenig behindert würde. „Wir haben oft Schwierigk­eiten, mit den Behörden zu interagier­en, weil in vielen Staaten ein ganz anderes Justizsyst­eme herrscht als bei uns in Italien“, sagt Gratteri mit Verweis auf die zahlreiche­n AntiMafia-Gesetze, die in den vergangene­n Jahren in Italien erlassen worden sind und schon zu einigen Ermittlung­serfolgen führten.

Bei den jüngsten Ermittlung­en wurde erstmals ein neues Rechtsinst­rument angewendet, die Europäisch­e Ermittlung­sanordnung, die den Justizbehö­rden die Suche nach Beweisen in anderen EU-Staaten erleichter­t. Rosy Bindi, Präsidenti­n der parlamenta­rischen Anti-MafiaKommi­ssion, nannte die Operation einen großen Erfolg gegen die „mächtigste und grausamste italienisc­he Mafia“. (als, red.)

Newspapers in German

Newspapers from Austria