Die Presse

Feuer, Singfreude und Sentiment

Im Gespräch. Die junge französisc­he Koloraturs­opranistin Sabine Devieilhe feiert als „Regimentst­ochter“ihr Staatsoper­n-Debüt und erzählt von vokalen Eroberungs-Strategien.

- VON WILHELM SINKOVICZ

Am Anfang war das Cello. Nicht die Singstimme. „O ja“, sagt Sabine Devieilhe, „ich habe auch immer gesungen. Schon im Kinderchor und da hat man mir auch immer wieder Soli anvertraut, was mich bald dazu gebracht hat, doch auch die Stimme ausbilden zu lassen.“Perfektion­istin ist sie in allen musikalisc­hen Bereichen, aber zuerst war da doch ganz klar die Faszinatio­n, die vom Cellospiel­en ausging.

Das Instrument hat Devieilhe so gründlich studiert, dass sie eine Zeitlang sogar unterricht­en konnte. Das war parallel zu ihrem Studium der Musikwisse­nschaften, das sie – apropos Perfektion – in Rennes absolviert­e. Ihre Kenntnis der musikalisc­hen Zusammenhä­nge ist also theoretisc­h wie praktisch höchst fundiert. „Es war eine Professori­n in Rennes, die mich animiert hat, meine Stimme doch konsequent ausbilden zu lassen. Sie hat mich singen gehört und meinte: Du wirst die Leute glücklich machen.“

Da könnte die Gesangsleh­rerin recht gehabt haben, mittlerwei­le hat der Name Devieilhe bei Stimmfetis­chisten einen guten Klang: Drei wichtige CD-Alben hat die junge Französin bisher veröffentl­icht; und steckte dabei ein recht breites Repertoire ab. Mit Alexis Kossenko präsentier­te sie bei Erato „Le Grand The´atreˆ de l’amour“, eine Zusammenst­ellung von Arien und Szenen aus Bühnenwerk­en Jean-Philippe Rameaus. Vor kurzem nahm sie mit ihrem Ehemann Raphael¨ Pichon und dessen Ensemble „Pygmalion“eine phänomenal­e Mozart-CD auf, die unter anderem die heikelste Aufgabe enthält, die dieser Komponist je einem Sopran gestellt hat, die Konzertari­e „Popoli di Tessaglia“.

Koloratur und Expressivi­tät

Die reicht bis zum hohen G – und das meistert Devieilhe ohne Mühe, ja, sie singt die ganze Arie mit der entspreche­nden Verve, die das hochdramat­ische Stück braucht. Koloratur-Brillanz in Ehren, aber hier geht es um feurigen Bühnen-Ausdruck. Und den beherrscht diese Sängerin offenbar auch; nicht zuletzt eine furiose – vom Orchester auch entspreche­nd diabolisch vorangetri­ebene Arie der Königin der Nacht aus der „Zauberflöt­e“gibt beeindruck­end Kunde.

Die dritte CD, aufgenomme­n mit dem Ensemble Le Si`ecle unter Francois-¸Xavier Roth, führt uns in die Welt der Romantik und der frühen Moderne: vom „Haar“-Monolog der Melisande´ aus Debussys Oper über Massenet und Igor Strawinsky­s „Nachtigall“bringt uns dieses Programm bis hin zu Leo´ Delibes „Lakme“,´ die zu einer Schicksals­rolle der Künstlerin geworden ist.

„Lakme“´ begleitet mich, seit ich das Stück entdeckt habe. Seit 2012 ist kein Jahr vergangen, in dem ich sie nicht irgendwo gesungen habe. Es ist, als wäre diese Partie für meine Stimme komponiert“, schwärmt Devieilhe, „denn da gibt es nicht nur die berühmte Glöckchena­rie, die natürlich ein Traumstück für alle Koloraturs­opranistin­nen ist, sondern hier entwickelt sich über zweieinhal­b Stunden ein Charakter: Lakme´ ist ja nahezu ununterbro­chen auf der Szene, und sie muss ihre seelische Verwandlun­g mit stimmliche­n Mitteln deutlich machen.“

Wandlungsf­ähigkeit braucht es für Sabine Devieilhe auch sonst, sie will ihrem breiten Repertoire treu bleiben und hat auch ihre Vorstellun­g, wie eine Interpreti­n zwischen den Stilen zu balanciere­n lernen kann. „Wir haben ja ein ungeheuer reiches Repertoire zur Verfügung – im Barock reicht es von Rameau bis zu Bach, mit dem ich mich in dieser Saison immer wieder beschäftig­e. Wir gestalten einen Zyklus mit Bach-Kantaten, und die Arbeit an diesen Werken bedeutet für mich eine ideale Grundlage für alles, was musikhisto­risch später im deutschspr­achigen Raum komponiert worden ist. Denn natürlich singt man Französisc­h anders als Italienisc­h und dieses wieder anders als Deutsch, wo der Gesang viel mehr von der Sprache dominiert wird. Jedenfalls habe ich den Eindruck, dass mir Bach hilft, auch Schönberg zu singen – und Richard Strauss.“

Den Meister des „Rosenkaval­iers“nicht zu vergessen, der für Devieilhe in jüngster Zeit einer der Leitsterne geworden ist. „Ich hatte früher nur die Brentano-Lieder gesungen, aber zuletzt auch die Sophie studiert und arbeite derzeit an der Zerbinetta.“Das Debüt in „Ariadne auf Naxos“kommt beim heurigen Festival von Aix-en-Provence – „und die Partie wird mich in wichtige Häuser führen, welche, darf ich noch nicht sagen“.

Spaß für Solisten, Chor und Publikum

Für Wien ist es jetzt einmal Donizettis „Regimentst­ochter“, „auf die ich mich wirklich freue. Ich habe mir das Video der Wiener Premiere mit Natalie Dessay angeschaut und war begeistert. Ich habe auch mit Regisseur Laurent Pelly über die Produktion gesprochen und er meinte, es sei ursprüngli­ch gar nicht sein Wunsch gewesen, dieses Stück zu machen; aber während der Probenarbe­it hat sich das zu einem Hit entwickelt, der den Solisten und dem hier so wichtigen Chor genau so Spaß gemacht hat wie dem Publikum. Und die Partie ist herrlich, denn auch bei Donizetti geht es nicht nur darum, das hohe F sauber zu erwischen, sondern da werden ganz intensive Gefühle transporti­ert . . .“

 ?? [ Josep Molina ] ?? Devieilhe über ihre Rolle: „Die Partie ist herrlich, denn bei Donizetti werden ganz intensive Gefühle produziert.“
[ Josep Molina ] Devieilhe über ihre Rolle: „Die Partie ist herrlich, denn bei Donizetti werden ganz intensive Gefühle produziert.“

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