„The Commuter“mit Liam Neeson: Psychoterror im Pendlerzug
Film. Jaume Collet-Serras vierte Kino-Arbeit mit Liam Neeson bietet wieder Hitchcock mit dem Holzhammer: Ein S-Bahn-Paranoia-Thriller für den kleinen Mann, zügellos in seinen Actionszenen, ziemlich absurd und trotzdem spannend. Ab Donnerstag im Kino.
Zug und U-Bahn, das sind im Kino ParanoiaZonen schlechthin. Verständlich: Hat man dort kein Abteil für sich, ist man zugleich peinlich exponiert – und mit einem Haufen wildfremder Menschen auf engstem Raum zusammengepfercht. In einer tonnenschweren Metallkiste, die mit vollem Karacho durch die Pampa donnert. Was, wenn plötzlich jemand gegenüber Platz nimmt, der alles über einen zu wissen scheint und mit unmoralischen Angeboten aufwartet, wie in Alfred Hitchcocks „Strangers on a Train“? Wenn das Gefährt von garstigen Gesellen gekapert wird, wie in Joseph Sargents „The Taking of Pelham One Two Three“? Oder wenn es sich, wie in Tony Scotts „Unstoppable“– schluck – nicht mehr stoppen lässt?
Jaume Collet-Serras jüngster Film „The Commuter“(der hierzulande leider nicht „Der Pendler“heißt) serviert eine Kombination all dieser Schienenthriller-Motive, schichtet sie zu einem Turm, der immer wieder wackelt, aber nie komplett auseinanderfällt. Zusammenhalten muss ihn der Ex-Cop und nunmehrige Versicherungsvertreter Michael (Liam Neeson). Nach einem schlechten Tag sitzt er wieder einmal im vertrauten Mikrokosmos der New Yorker S-Bahn, die ihn schon seit zehn Jahren zur Arbeit und retour bringt – als sich eine unbekannte Frau (Vera Farmiga) zu ihm gesellt und einen Vorschlag macht: Wenn er jene Person ausfindig macht, die „nicht in diesen Zug gehört“, winkt eine saftige Belohnung. Michael hält das anfangs für einen Scherz, doch es ist das Gegenteil: Ein Befehl, dessen Verweigerung tödliche Konsequenzen nach sich zieht.
Action-Altstar mit besorgter Miene
Es ist nicht das erste Mal, das Neeson zum wehrhaften Opfer einer dunklen Verschwörung wird. Seit seiner unverhofften schauspielerischen Wiedergeburt als Action-Altstar im Rache-Reißer „Taken“haben er und Collet-Serra vier Filme zusammen gedreht, die alle einem ähnlichen Muster folgen – und alle besser sind, als sie sein dürften. Im Grunde macht das Gespann stets Hitchcock mit dem Holzhammer: Geschichten über unsichtbare Dritte und Männer, die zu viel wussten, nur mit mehr Action und weniger formalem Feingefühl. Auch „The Commuter“liefert Suspense-Szenarien am laufen- den Band, die Held Neeson mit besorgter Miene meistern muss. Manche sind brachial, andere sehr gewitzt: Etwa wenn ein Pokerspiel zur buchstäblichen Vertrauensprobe gerät. Und wie in „Non-Stop“, wo Neeson im Flieger nach unsichtbaren Gegnern fahnden musste, dient das Mobiltelefon als Instrument unaufhörlichen Psychoterrors. Da- bei besticht besonders der geschickte Schnitt: Schon die Eröffnungssequenz erläutert die Alltagsroutine Michaels mit einer cleveren Zeitsprung-Montage.
Logik ist zweitrangig
Wer bei seinen Thrillern Wert auf Logik legt, sollte hier im Übrigen nicht einsteigen. Wie bei allen Filmen Collet-Serras fällt es einem mit fortschreitender Dauer immer schwerer, die Absurdität der Handlung auszublenden. Und die Action-Eskalationen ernst zu nehmen. Zurückhaltung kennt dieser Regisseur nicht: Selbst wenn er schon längt am Lächerlichen kratzt, muss er noch eins draufsetzen. Lässt man sich allerdings von dieser Zügellosigkeit nicht stören, bietet „The Commuter“von Anfang bis Ende eine spannend-vergnügliche Fahrt. Eine mit populistischer Grundierung, nebenbei gesagt: Es geht unmissverständlich um die Ängste des „kleinen Mannes“, um einen Lackmustest seines Charakters in Krisenzeiten. Er wird von dunklen Mächten verführt, bedrängt, getäuscht – und ob die Gesellschaft entgleist oder nicht, das hängt hier letztlich an seiner moralischen Integrität. (and)