EU steht vor Problemflut
Bei der Lösung vieler Probleme wirkt die EU schwach und unentschlossen. Nur haben wir derzeit nicht Besseres als die Union.
Aus den Denkfabriken der Nationalökonomen kommen gute Nachrichten! Sei es die OECD, der Deutsche Weisenrat oder unser Wirtschaftsforschungsinstitut – alle bestätigen uns, dass die Finanzkrise von 2008 überwunden sei. Das Wirtschaftswachstum dürfte in diesem Jahr europaweit um gut zwei Prozent zulegen, und die negativen Folgen des Brexit dürften für die Gesamtentwicklung auch nicht so gravierend sein.
Wenn ein Währungspolitiker sich erinnert, wie die Aussichten 2008 waren, hätte es die Gemeinschaftswährung Euro noch nicht gegeben, muss er sich vorkommen wie der Reiter am Bodensee. Der Wechselkurs der D-Mark gegenüber dem Dollar hätte einen Höhenflug begonnen und unsere Währung gleich mitgenommen. Die südeuropäischen Staaten, vor allem Italien und Spanien hätten Währungsabwertungen auf Teufel komm raus betrieben und unserer Exportwirtschaft den Todesstoß versetzt.
Aber wir hatten eben bereits den Euro und die Europäische Zentralbank – so konnte das europäische Bankensystem gerettet werden. Dem Aufschwung hat die EZB mit ihrer Niedrigzinspolitik zwar nicht ganz risikolos, aber doch auf die Beine geholfen – also ein Erfolg.
Schauplatzwechsel: Schon 2014 war klar, dass in den Flüchtlingscamps in Jordanien, im Libanon und in der Türkei großes Elend herrschte. Die Lebensmittelrationen, die von der Flüchtlingshilfe der UNO finanziert wurden, waren zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel. Als sie noch einmal gekürzt wurden war klar, dass sich eine Flüchtlingswelle nach Europa in Bewegung setzen würde.
Präventiv Handeln ist billiger
Hätte die EU einige Milliarden Euro in die Hand genommen – bei Griechenland hat sie es ja getan –, hätte man die Lage in den Flüchtlingscamps erträglicher gestalten können. Eigentlich soll man bei solchen Problemen eher keinen Kostenvergleich anstellen, aber in diesem Fall sei das Wort gestattet, dass die Versorgung der Flüchtlinge in Europa ein Vielfaches gekostet hat. Und es hat viele andere Probleme geschaffen, zum Beispiel den Konflikt zwischen Deutschland und Österreich auf der einen Seite, Ungarn und Polen, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, auf der anderen Seite. Diese Beispiele sollten genügen, um zu zeigen, was passiert, wenn die EU ein Problem löst, bei einem anderen Problem aber versagt.
Die Alleingänge der ungarischen und polnischen Regierung schaffen ein Problem in der EU. Nur mit Finanzspritzen wird man die europäische Idee in beiden Ländern nicht stabilisieren können. In der Kommission denkt man über einen Marshallplan für Afrika nach – es dürfte beim Nachdenken bleiben. Und noch ein Problem für die EU: US-Präsident Donald Trump will keine multilateralen Freihandelsabkommen.
Das britische Beispiel, mit einer Volksabstimmung den Austritt aus der EU zu bewerkstelligen, hat katalanische Populisten nicht entmutigt, mit einer Volksabstimmung eine Abspaltung von Spanien erzwingen zu wollen. Probleme gibt es also en masse. Die EU erscheint ihnen gegenüber schwach und unentschlossen. Nur, wir haben derzeit nichts Besseres als die EU.