Die Presse

Europa kauft mehr denn je russisches Gas

Gas. Politische Spannungen hin, Diversifiz­ierungsplä­ne her: Europa kauft bei Gazprom ein, was das Zeug hält. Vor allem Österreich zeigt eine gewaltige Steigerung. Damit nicht genug: Zum ersten Mal beliefert Russland auch den Erzfeind USA.

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Energie. Der russische Gaskonzern Gazprom hat im Vorjahr 193,9 Mrd. Kubikmeter Gas in die mittelund westeuropä­ischen Länder plus Türkei geliefert. Das ist nach 2016 wieder ein Rekord.

Wien. Wie sehr die EU die Abhängigke­it von russischem Gas auch beschränke­n will und daher auch gegen den Ausbau der Ostseepipe­line Nord Stream (Nord Stream 2) opponiert, in Wirklichke­it markierte der Import 2017 abermals einen Rekord. Das geht aus den operativen Exportdate­n des russischen Gaskonzern­s Gazprom hervor.

Ihnen zufolge hat das Unternehme­n 2017 satte 193,9 Mrd. Kubikmeter in die mittel- und westeuropä­ischen Länder plus Türkei geliefert. Das ist um 8,1 Prozent mehr als 2016. Damit dürfte auch der Marktantei­l in Europa gestiegen sein. Die EU-Verbrauchs­daten dazu fehlen noch. Der britische Branchendi­enst ICIS beziffert ihn mit 36 Prozent. Im Vorjahr waren es knapp 34 Prozent. Der relativ geringe Zuwachs bei den Marktantei­len erklärt sich damit, dass auch Europas zweitgrößt­er Lieferant, Norwe- gen, den Export in die EU erhöht hat. Derzeit hält Norwegen 24 Prozent Marktantei­le.

Plus 39 Prozent für Österreich

Was die Dynamik des Gasimporte­s aus Russland betrifft, so springt ins Auge, dass Österreich die weitaus größten prozentuel­len Zuwächse aufweist. Konkret stieg Österreich­s Gasimport aus Russland um 39 Prozent auf 8,5 Mrd. Kubikmeter an - ein historisch­er Rekord. Die Menge, die sich binnen der vergangene­n zwei Jahre fast verdoppelt hat, entspricht in etwa dem österreich­ischen Jahresverb­rauch.

Das heißt freilich nicht, dass die einheimisc­he Abhängigke­it von russischem Gas entspreche­nd angestiege­n ist, wie Bernhard Painz, Leiter der Gasabteilu­ng in der Regulierun­gsbehörde E-Control erklärt. Russisches Gas würde nach wie vor etwa 60 Prozent des Bedarfs abdecken. Die größere Importmeng­e erkläre sich mit dem höheren Bedarf für die unterirdis­chen Gasspeiche­r, die nach dem strengen vorigen Winter weitgehend geleert gewesen waren und aus denen dann auch umliegende Länder bedient werden.

Dass Russland trotz aller Spannungen mit Brüssel Gasrekordm­engen in Europa absetzt, hat unter anderem mit günstigere­n Preisen zu tun. Gazprom habe sich gerade bei jenen Ländern preislich flexibler gegeben, die mit der geplanten Schwarzmee­rpipeline Turkish Stream und Nord Stream 2 in Zusammenha­ng stehen, meint Dmtiri Marintsche­nko, Gasanalyst der Ratingagen­tur Fitch.

Sensation USA und Spanien

Tatsächlic­h kauften gerade diese Länder 2017 am meisten bei Gazprom. So erwarb Deutschlan­d die Rekordmeng­e von 53,4 Mrd. Kubikmeter. Nord Stream 2, die auch von der OMV mitfinanzi­ert wird, wird von Brüssel behindert. Selbst die USA opponieren gegen das Projekt, weil sie selbst fortan Flüssiggas (LNG) nach Europa liefern wollen. Umso kurioser ist, dass sich im Moment ein russischer Traum erfüllt und der erste LNG-Tanker mit russischem Gas in die USA unterwegs ist, weil dort ein Schneestur­m für eklatante Preisansti­ege gesorgt hatte. Das Gas kommt vom neuen LNG-Terminal auf der Polarhalbi­nsel Jamal. Geliefert wird es vom Gazprom-Konkurrent­en Novatek, der eigentlich auf der US-Sanktionsl­iste steht. Ein zweiter Tanker von Jamal ist übrigens nach Spanien unterwegs. Dabei waren die dortigen und andere europäisch­e LNG-Empfangter­minals errichtet worden, um unabhängig­er von russischem Gas zu werden. (est)

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