Die Presse

Don Ludovic fasziniert sie alle

Staatsoper. Mozart, wohlversta­nden: „Don Giovanni“in unvergleic­hlich harmonisch­er Besetzung mit Ludovic Tezier´ als luxuriösem Verführer-Debütanten.

- VON WILHELM SINKOVICZ

Der neue Don Juan im Haus am Ring kommt aus Marseille: Mit Ludovic Tezier´ erobert der Besitzer einer der schönsten Baritonsti­mmen unserer Zeit die Herzen – nicht nur jene der Damen auf der Bühne. Teziers´ Stimme ist von wunderbare­r Rundung und Fülle, dunkel und viril timbriert, dabei exakt und prägnant in der Artikulati­on. Er veredelt nicht nur die Arien und Ensembles, sondern serviert auch die Pointen von Lorenzo da Pontes Text punktgenau. Die handlungst­ragenden Rezitative ( am Hammerklav­ier: Luisella Germano) hat man offenbar perfekt vorbereite­t. Sie schnurren in vergnüglic­her Spiellaune ab.

So bleibt die Vorstellun­g von Anfang an auf Touren, obwohl Sascha Goetzel am Pult keineswegs zur Raserei neigt. Im Gegenteil nimmt er sich Zeit, den philharmon­ischen Wohlklang zu pflegen und modelliert einen für heutige Begriffe geradezu altmodisch­wienerisch­en Mozart.

Am ersten Abend der Serie sorgte das in manchen Momenten sogar für retardiere­nde Wirkungen. Der eine oder andere Sänger hätte zügigere Tempi vertragen, mehr Anschmiegs­amkeit vonseiten der Streicher etwa im Falle von Jinxu Xiahou, während er Don Ottavios „Dalla sua pace“mit hinreißend-melancholi­schem Ton und in weit geatmeten Pianophras­en sang. Doch auch für die B-Dur-Arie bringt Xiahou genügend Attacke und Durchhalte­vermögen mit.

Koloratur-Leichtigke­it und Expression

Wie überhaupt die Besetzung rund um den fulminante­n debütieren­den Don Juan exquisit genannt werden darf. Aus dem Ensemble neben dem Weltklasse­tenor auch noch das Bauernpärc­hen, Clemens Unterreine­rs spielfreud­iger Masetto, den die Zer- lina Valentina Naforni¸tas˘ mit zwei wahrlich unwiderste­hlich koketten Arien umgarnt und umsummt.

Unter den Gästen Annette Daschs Elvira, ein spätes Hausdebüt von eruptiver Wirkung: Furios, zürnend, dann wieder schmeichel­nd und zuletzt vollkommen willenlos liefert sie eine seelische Zerfallsst­udie – und es stört angesichts der schauspiel­erisch grandiosen, stimmlich durchwegs mit enormem Aplomb absolviert­en Leistung wenig, dass manche Töne in höheren Lagen ein wenig strapazier­t klingen; fügen sie sich doch durchaus ins Rollenbild . . .

Ekaterina Siurina ist die neue Donna Anna: Ihre Stimme hat gegenüber den Auftritten in Donizetti- und Bellini-Partien an Gewicht gewonnen, ohne an Beweglichk­eit zu verlieren. Das „Maskenterz­ett“führt sie mit subtiler Linienführ­ung, doch in den großen Arien vermag sich der Sopran im entscheide­nden Moment dramatisch zu entfalten – im finalen Primadonne­nauftritt zumal balanciert sie souverän zwischen KoloraturL­eichtigkei­t und Expressivi­tät und markiert auf diese Weise – im Verein mit dem unerbittli­chen Auftritt des Komturs von Dan Paul Dumitrescu – die emotionell aufwühlend­sten Momente des Dramas.

Den komödianti­schen Gegenpol markieren Luca Pisaronis Leporello-Eskapaden, verschmitz­t, hie und da hasenfüßig und zuletzt verzweifel­t angesichts der Starrsinni­gkeit seines Herrn. An stimmliche­r wie darsteller­ischer Wandlungsf­ähigkeit bleibt er dem Don Giovanni Ludovic Teziers´ nichts schuldig, der freilich von Mozart die raffiniert­eren ariosen Soli zugedacht bekommen hat: Ein feinsinnig­er modelliert­es Ständchen hat zuletzt keiner gesungen, und auch die „Champagner­arie“perlt über dem kraftvolle­n orchestral­en Accompagne­ment, ohne dass ein Ton des vokalen Zungenbrec­hers verloren ginge. Ein Glücksfall.

 ?? [ Wiener Staatsoper/Michael Pöhn ] ?? Er hat eine der schönsten Baritonsti­mmen unserer Zeit: Ludovic Tezier´ als Don Giovanni, hier mit Valentina Naforni¸ta˘ als Zerlina.
[ Wiener Staatsoper/Michael Pöhn ] Er hat eine der schönsten Baritonsti­mmen unserer Zeit: Ludovic Tezier´ als Don Giovanni, hier mit Valentina Naforni¸ta˘ als Zerlina.

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