Don Ludovic fasziniert sie alle
Staatsoper. Mozart, wohlverstanden: „Don Giovanni“in unvergleichlich harmonischer Besetzung mit Ludovic Tezier´ als luxuriösem Verführer-Debütanten.
Der neue Don Juan im Haus am Ring kommt aus Marseille: Mit Ludovic Tezier´ erobert der Besitzer einer der schönsten Baritonstimmen unserer Zeit die Herzen – nicht nur jene der Damen auf der Bühne. Teziers´ Stimme ist von wunderbarer Rundung und Fülle, dunkel und viril timbriert, dabei exakt und prägnant in der Artikulation. Er veredelt nicht nur die Arien und Ensembles, sondern serviert auch die Pointen von Lorenzo da Pontes Text punktgenau. Die handlungstragenden Rezitative ( am Hammerklavier: Luisella Germano) hat man offenbar perfekt vorbereitet. Sie schnurren in vergnüglicher Spiellaune ab.
So bleibt die Vorstellung von Anfang an auf Touren, obwohl Sascha Goetzel am Pult keineswegs zur Raserei neigt. Im Gegenteil nimmt er sich Zeit, den philharmonischen Wohlklang zu pflegen und modelliert einen für heutige Begriffe geradezu altmodischwienerischen Mozart.
Am ersten Abend der Serie sorgte das in manchen Momenten sogar für retardierende Wirkungen. Der eine oder andere Sänger hätte zügigere Tempi vertragen, mehr Anschmiegsamkeit vonseiten der Streicher etwa im Falle von Jinxu Xiahou, während er Don Ottavios „Dalla sua pace“mit hinreißend-melancholischem Ton und in weit geatmeten Pianophrasen sang. Doch auch für die B-Dur-Arie bringt Xiahou genügend Attacke und Durchhaltevermögen mit.
Koloratur-Leichtigkeit und Expression
Wie überhaupt die Besetzung rund um den fulminanten debütierenden Don Juan exquisit genannt werden darf. Aus dem Ensemble neben dem Weltklassetenor auch noch das Bauernpärchen, Clemens Unterreiners spielfreudiger Masetto, den die Zer- lina Valentina Naforni¸tas˘ mit zwei wahrlich unwiderstehlich koketten Arien umgarnt und umsummt.
Unter den Gästen Annette Daschs Elvira, ein spätes Hausdebüt von eruptiver Wirkung: Furios, zürnend, dann wieder schmeichelnd und zuletzt vollkommen willenlos liefert sie eine seelische Zerfallsstudie – und es stört angesichts der schauspielerisch grandiosen, stimmlich durchwegs mit enormem Aplomb absolvierten Leistung wenig, dass manche Töne in höheren Lagen ein wenig strapaziert klingen; fügen sie sich doch durchaus ins Rollenbild . . .
Ekaterina Siurina ist die neue Donna Anna: Ihre Stimme hat gegenüber den Auftritten in Donizetti- und Bellini-Partien an Gewicht gewonnen, ohne an Beweglichkeit zu verlieren. Das „Maskenterzett“führt sie mit subtiler Linienführung, doch in den großen Arien vermag sich der Sopran im entscheidenden Moment dramatisch zu entfalten – im finalen Primadonnenauftritt zumal balanciert sie souverän zwischen KoloraturLeichtigkeit und Expressivität und markiert auf diese Weise – im Verein mit dem unerbittlichen Auftritt des Komturs von Dan Paul Dumitrescu – die emotionell aufwühlendsten Momente des Dramas.
Den komödiantischen Gegenpol markieren Luca Pisaronis Leporello-Eskapaden, verschmitzt, hie und da hasenfüßig und zuletzt verzweifelt angesichts der Starrsinnigkeit seines Herrn. An stimmlicher wie darstellerischer Wandlungsfähigkeit bleibt er dem Don Giovanni Ludovic Teziers´ nichts schuldig, der freilich von Mozart die raffinierteren ariosen Soli zugedacht bekommen hat: Ein feinsinniger modelliertes Ständchen hat zuletzt keiner gesungen, und auch die „Champagnerarie“perlt über dem kraftvollen orchestralen Accompagnement, ohne dass ein Ton des vokalen Zungenbrechers verloren ginge. Ein Glücksfall.