Beschwichtigende Töne ei Kneissls Rom-Besuch
Italien-Österreich. Außenministerin Kneissl traf in Rom ihren Amtskollegen Alfano: Bei den kritischen Themen Südtirol und Migration zeigte man sich betont gesprächsbereit.
Rom. Heikel wurde dieser Antrittsbesuch der österreichischen Außenministerin Karin Kneissl in Rom im Vorfeld betitelt. Immerhin standen zwei Themen auf der politischen Tagesordnung, die in letzter Zeit zu Spannungen zwischen Österreich und seinem südlichen Nachbarn geführt hatten: Der Vorstoß der neuen österreichischen Regierung, für die deutsch- und ladinischsprachigen Südtiroler die doppelte Staatsbürgerschaft einzuführen und die unterschiedliche Politik beider Länder in der Flüchtlingsfrage.
Beim Treffen von Außenministerin Kneissl und ihrem italienischen Amtskollegen Angelino Alfano handelte es sich also nicht mehr nur um einen diplomatischen Höflichkeitsbesuch beim Nachbarn.
Auch aus italienischer Sicht. Denn hier ist der Wahlkampf in vollem Gange. Die Italiener sind am 4. März aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen. Der amtierende Außenminister Alfano wird nicht mehr kandidieren, wie er bereits bekannt gab.
Spaltpilz Migration
Vor allem das Thema Migration steht in Italien derzeit ganz oben auf der Liste der Wahlkampfthemen. 2017 kamen 119.369 Menschen über das Mittelmeer nach Italien. 2016 waren es noch 181.436 gewesen. Die Reduzierung der Ankünfte hat wohl hauptsächlich mit der engeren Zusammenarbeit der italienischen Regierung und der Europäischen Union mit mehreren afrikanischen Staaten zu tun, darunter auch das Bürgerkriegsland Libyen, von wo aus die meisten Menschen die gefährliche Überfahrt in Richtung Europa wagen.
In den ersten 16 Tagen des neuen Jahres kamen 974 Migranten in Italien an. Bei den Verantwortlichen ist jedoch die Angst groß, dass sich dieser Trend wieder umkehren kann. Italien dringt daher noch immer auf eine gesamteuropäische Lösung des Flüchtlingsproblems.
„Wir zollen Respekt dafür, was die italienische Regierung auf dem afrikanischen Kontinent leistet“, sagte Kneissl am Dienstag in Rom. Dabei dürfte den Italienern durchaus ein Dorn im Auge sein, dass Österreich seinen Verpflichtungen aus dem EU-Umverteilungsprogramm mehr schlecht als recht nachkommt. In dem Abkommen, in dem sich die restlichen EU-Staaten 2015 verpflichtet hatten, Asylbewerber aus Italien und Griechenland aufzunehmen um diese beiden Staaten zu entlasten, hatte sich Österreich dazu verpflichtet, innerhalb von zwei Jahren 1.953 Menschen bei sich aufzunehmen. Bisher wurden nur 17 Migranten aus Italien nach Österreich umgesiedelt. Diese Zahlen hat die EU-Kommission am Dienstag der „Presse“bestätigt. Damit ist Österreich zusammen mit Bulgarien und Estland Schlusslicht bei der Umverteilung. Deutschland hat mit 4.894 im Rahmen des Relocation-Programms am meisten Migranten aus Italien aufgenommen.
„Wir hoffen noch immer auf einen europäischen Lösungsansatz“, sagte Außenministerin Alfano am Dienstag diplomatisch nach dem Treffen mit seiner österreichischen Amtskollegin.
Weniger emotional ist in Italien hingegen das Vorhaben der türkisblauen Bundesregierung, den deutsch- und ladinischsprachigen Südtirolern eine doppelte Staatsbürgerschaft anzubieten, aufgenommen worden. Das Thema werde von österreichischer Seite aktiv in dem Gespräch angesprochen, hieß es bereits im Vorfeld aus dem
österreichischen Außenministerium: Österreich habe als Schutzmacht in Bezug auf die dynamische Fortentwicklung des Minderheitenschutzes die völkerrechtlich verankerte Verantwortung, sich einzubringen, sagt sie.
„Wir sind zwei Länder, die miteinander diskutieren, da gibt es keine unilateralen Aktionen“, so Alfano. Außenministerin Kneissl betonte am Dienstag erneut beschwichtigend, dass dieses Thema nur in einem Trilog, also in Gesprächen zwischen Wien, Rom und Bozen angegangen werden könne. Das Treffen mit ihrem italienischen Amtskollegen diene einem „Gedankenaustausch“zu diesem Thema.
Konkrete Aspekte wie der, wer rein rechtlich Anspruch auf eine solche doppelte Staatsbürgerschaft haben könnte, sollten von Expertengruppen erörtert werden.
Das Kuriose an dem Thema: In der Sache ist man in Rom und Wien im Grunde einer Meinung. Allein das Zueigenmachen durch die Regierung in Österreich ist den Italienern ein Dorn im Auge.
Über eine doppelte Staatsbürgerschaft werde in Südtirol schon seit Jahren gesprochen, sagte der Südtiroler Landeshaupt- mann Arno Kompatscher dazu der „Presse“. „Es gibt dazu auch einen Beschluss des Parteitages der Südtiroler Volkspartei in dem steht, dass so eine Möglichkeit im Sinne des europäischen Geistes wünschenswert wäre.“Das Thema sei eine ideelle Geschichte und nie damit verbunden worden, das Autonomiestatut Südtirols in Frage zu stellen, oder gar Sezessions-Gedanken zu befeuern.
Rechtliche Hürden für Österreich
Das Problem: Der Vorstoß aus Österreich kommt nun von einer Regierung mit FPÖBeteiligung und bekäme dadurch eine andere politische Färbung, so Kompatscher. „Ich glaube das hat dazu geführt, dass es teilweise so heftige Reaktionen gab.“
Von italienischer Seite steht der Einführung einer doppelten Staatsbürgerschaft in Südtirol zumindest rechtlich nichts im Wege. Im Gegensatz zu Italien hat Österreich allerdings noch ein internationales Abkommen zur Vermeidung von Doppelstaatsbürgerschaften. Und dafür besteht ein Jahr Kündigungsfrist. Für ausführliche Verhandlungen zwischen den beiden Staaten ist also genug Zeit.