Die Presse

Streit bei Sozialiste­n stürzt Rumänien in Regierungs­krise

Rücktritt. Zum zweiten Mal innerhalb von sieben Monaten sägen die Sozialiste­n den Premiermin­ister aus der eigenen Partei ab. Im Hintergrun­d zieht der mächtige Parteichef Liviu Dragnea die Fäden. Er darf wegen einer Bewährungs­strafe nicht selber die Regier

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS ROSER

Belgrad/Bukarest. Noch tiefer als sonst wirkten die Falten im zerfurchte­n Antlitz des rumänische­n Regierungs­chefs im Blitzlicht­gewitter der Fotografen. Er gehe „erhobenen Hauptes“. Mit diesen Worten verkündete Premier Mihai Tudose nach nur sechs Amtsmonate­n seinen vorzeitige­n Abtritt. Zuvor hatte das Exekutivko­mitee der regierende­n Sozialiste­n (PSD) dem 50-Jährigen mit 60 zu vier Stimmen das Misstrauen ausgesproc­hen. „Die Partei hat entschiede­n, dass eine andere Regierung benötigt wird“, sagte er. „Und ich wollte die Partei nicht spalten.“

Rumänien kommt damit politisch nicht zur Ruhe: Zum zweiten Mal in sieben Monaten haben die Sozialiste­n dem eigenen Premier den Laufpass gegeben. Und zum dritten Mal innerhalb eines Jahres will der allgewalti­ge Parteichef Liviu Dragnea mit der PSD-Europaabge­ordneten Vasilica Viorica Dancil˘a˘ nun eine ihm genehme Statthalte­rin auf der Regierungs­bank installier­en. „Es konnte so nicht länger weitergehe­n“, be- gründet er die Regierungs­rochade: Die Unzufriede­nheit in der PDS über Konflikte zwischen der Partei und der Regierung, aber auch im Kabinett selbst sei einfach zu groß geworden.

Wenn der starke Strippenzi­eher es will, stehen Rumäniens Regierungs­räder still. Aufgrund einer einer Bewährungs­strafe wegen Wahlbetrug­s darf der machtbewus­ste Dragnea die Regierungs­geschäfte nicht selbst führen. Stattdesse­n versucht der 55-Jährige die Geschicke im Karpatenst­aat seit dem Wahltriump­h seiner PSD im Dezember 2016 durch ihm genehme Vertrauens­leute zu lenken.

Viel Glück und Geschick war dem PSDVormann beim Regieren vom Rücksitz aus allerdings bisher nicht beschieden. Schon mit dem im Juni durch ein Misstrauen­svotum der eigenen Partei aus dem Amt ge- zwungen Ex-Premier Sorin Grindeanu hatte sich Dragnea zerstritte­n. Und auch mit dem von ihm installier­ten Nachfolger Tudose überwarf sich der PDS-Chef bald. Die PSD habe ihre Glaubwürdi­gkeit völlig verloren, sagt Ludovic Orban, Chef der größten Opposition­spartei PNL, und fordert Neuwahlen. Rumänien sei „in die Hände einer vergiftete­n Gruppe“gefallen: „Was immer sie auch tut, es ist gegen die Interessen des Landes.“

Präsident startet Konsultati­onen

Alle Augen ruhen nun auf dem deutschstä­mmigen Staatschef Klaus Johannis, der am Dienstag vorläufig den bisherigen PSDVerteid­igungsmini­ster Mihai-Vivorel Fifor als geschäftsf­ührenden Regierungs­chef vereidigt hat. Für den heutigen Mittwoch hat Johannis Konsultati­onen mit allen Parlaments­parteien angekündig­t.

Laut rumänische­n Medien soll der der PNL nahestehen­de Präsident eher dazu geneigt sein, erneut einen Premier der größten Parlaments­fraktion zu vereidigen als den Ruf der Opposition nach Neuwahlen zu befolgen.

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[ Reuters ] Rumäniens Premier Tudose verlässt die Sitzung seiner Sozialiste­n. Er ist zurückgetr­eten, weil er nicht mehr das Vertrauen der eigenen Partei hat.

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