Andrej Babiˇs verliert die Vertrauensfrage
Tschechien. Dem neuen Regierungschef ist es nicht gelungen, einen Koalitionspartner zu finden. Das Parlament sprach ihm nicht das Vertrauen aus – und wird vielleicht Babiˇs Immunität aufheben.
Prag. Es ist in der Verfassung geregelt: Jede neue tschechische Regierung muss sich innerhalb eines Monats nach der Ernennung im Parlament der Vertrauensfrage stellen. Am Dienstag scheiterte der Ministerpräsident Andrej Babis:ˇ Für das Minderheitenkabinett seiner populistischen ANO-Bewegung stimmten nur 78 Abgeordnete. Es gab 116 Nein-Stimmen und sechs Enthaltungen.
Babisˇ ist es in den vergangenen Wochen nicht gelungen, einen Koalitionspartner zu finden, und das hat hauptsächlich mit den Ermittlungen gegen ihn zu tun. Für den Bau seines Wellnesshotels „Storchennest“nahe Prag soll er zwei Millionen Euro an EU-Gelder veruntreut haben, dabei hat der schwerreiche Unternehmer vergangenen Dezember unter anderem deswegen die Wahl gewonnen, weil er sich dem Kampf gegen die Korruption widmen wollte.
Unmittelbar dürfte der negative Ausgang der Vertrauensfrage keine Auswirkungen auf den 63-jährigen Premier haben, denn Präsident Milosˇ Zeman kündigte an, ihn kommissarisch weiterregieren zu lassen. In der Zwischenzeit soll der Regierungschef die zweite Chance erhalten, einen Koalitionspartner zu finden. Aufgrund der Ermittlungen haben sich die weiteren im Parlament vertretenen acht Parteien bisher zurückhaltend gezeigt.
Aber Babisˇ muss sich darüber hinaus auch mit einer anderen Frage herumschlagen: Wird seine Immunität aufgehoben? In die Storchennest-Affäre soll auch der ANO-Klubobmann Jaroslav Faltynek´ involviert sein. Der Immunitätsausschuss im Parlament hat die Aufhebung in den beiden Fällen empfohlen, nun müssen die Abgeordneten darüber abstimmen. Zuvor hatte selbst das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung im Fall Storchennest Unregelmäßigkeiten festgestellt.
„Kein einziger Beweis“
Die Vorwürfe gegen ihn weist Babisˇ zurück, die Affäre – seine Familie soll ebenfalls darin verstrickt sein – sei ein Komplott seiner politischen Gegner: „Es war kein Betrug, und es gibt keinen einzigen Beweis.“Tatsächlich ge- nießt der neue Premier nach wie vor große Popularität im Land. Der möglichen Aufhebung seiner Immunität sieht Babisˇ gelassen entgegen; er und Faltynek´ wollen den entsprechenden Antrag sogar selbst einbringen, sagten sie am Dienstag. Babisˇ muss nun bis Anfang März eine Regierung bilden, andernfalls droht weiter Ungemach. Denn am 26. und 27. Jänner findet die letzte Runde der Präsidentschaftswahl statt, Zemans Gegenkandidat ist der Chemiker und Wissenschaftler Jiˇr´ı Drahos.ˇ Während Zeman eine Regierung von Babisˇ trotz Ermittlungen zu stützen scheint, hat Drahosˇ angekündigt: Ein Premier, dem kriminelle Taten vorgeworfen werden, sei inakzeptabel. Zemans Amtszeit endet am 7. März.
Der Milliardär Babisˇ war, bevor er Regierungschef wurde, Finanzminister. Damals wurde er für seine Rolle als Politiker und (Medien-)Unternehmer gleichzeitig kritisiert. Von dieser Position wurde er schließlich abberufen. (ag.)