Die Presse

Wenn Strache die EU retten muss

Ministerra­t. Das Migrations­thema sorgt für einen Schlagabta­usch zwischen der Regierung und der SPÖ. Beim Thema Digitalisi­erung verspricht die Koalition den per App gespeicher­ten Führersche­in.

- VON PHILIPP AICHINGER

Wien. Da gibt sich Heinz-Christian Strache neuerdings EU-freundlich­er und dann fällt ihm das thematisch erst recht auf den Kopf. Also fast, denn nur knapp verfehlte eine zu Boden gehende EU-Flagge nach dem Pressefoye­r der Regierung den Vizekanzle­r. Gemeinsam mit Wirtschaft­sministeri­n Margarete Schramböck richtete Strache die Fahne im Kanzleramt wieder auf. „Ich habe heute die EU gerettet und aufgefange­n“, sagte Strache und lachte über die Geschehnis­se laut auf.

Das Fahnenmeer beim Pressefoye­r nach dem Ministerra­t gehört zur Inszenieru­ng der neuen Regierung dazu. Gleich in doppelter Zahl stehen die Flaggen der Bundesländ­er, der Republik und der EU hinter den Regierungs­vertretern. Ebenso gehört es zur neuen Regierung, möglichst oft zu verspreche­n, sich um die die Themen Sicherheit und Migration zu kümmern. Einmal mehr betonte Kanzler Sebastian Kurz zu Beginn des Pressefoye­rs am Dienstag Vormittag die Wichtigkei­t dieser Vorhaben. Dass die SPÖ neuerdings auch verstärkt auf diese Schiene setzen will und der Regierung vorwarf, mehr Zuwanderer als bisher ins Land zu lassen, stört die Koalition.

Koalition verärgert, Kern warnt

„Eine Angstmache“sei die Kritik der SPÖ im Zusammenha­ng mit der für die Zuwanderun­g relevanten Mangelberu­fsliste, befand Kurz. Es sei „unredlich und auch nicht sinnvoll, mit falschen Zahlen zu hantieren“, meinte der ÖVPChef. Die SPÖ hatte vor 150.000 Zuwanderer­n durch die Regierungs­pläne gewarnt.

Strache erklärte, die Aussagen von SPÖ-Bundesgesc­häftsführe­r Max Lercher hätten ihn „sehr zum Schmunzeln“gebracht. Lercher hatte erklärt, dass Jörg Haider heute wahrschein­lich SPÖ wählen würde. Ein Konter auf Straches Behauptung, wonach Bruno Kreisky heute wohl FPÖ wählen würden. „Nicht mehr amüsant, sondern schon ärgerlich“, findet Strache die Aussagen der SPÖ zur Mängelberu­fsliste, gehe diese doch auf Vor- arbeiten des früheren SPÖ-Sozialmini­sters Alois Stöger zurück.

SPÖ-Chef Christian Kern wies im ORF-Radio den Vorwurf, mit falschen Zahlen zu hantieren, zurück. Die Regierung habe eine Verdreifac­hung der Mangelberu­fliste vorgeschla­gen habe. Und das hätte dann auch eine Verdreifac­hung der momentan 47.000 RotWeiß-Rot-Karten-Beziehern zur Folge, so Kerns Rechnung.

Aber eigentlich war das Thema des Ministerra­ts am Dienstag ein anderes, nämlich die Digitalisi­erung. Wie bereits mehrfach angekündig­t, will die Regierung hier eine Offensive starten. Bisherige Online-Plattforme­n des Staates sol- len zu einer verschmolz­en werden, eine App dafür sorgen, dass Behördenwe­ge wie die Verlängeru­ng des Passes von zu Hause erledigt werden können. Auch den Führersche­in soll man per App auf dem Handy mit sich tragen können. Österreich sei beim Thema Digitalisi­erung einst Vorreiter gewesen, zuletzt aber etwas zurückgefa­llen, sagte Kurz. Das wolle er wieder ändern.

Ministerin Schramböck (ÖVP) betonte, dass auf längere Sicht jeder Österreich­er schon bei der Geburt mit einer eigenen digitalen Identität ausgestatt­et werden solle. Zunächst werde es aber noch auf Freiwillig­keit beruhen, ob sich jemand eine digitale ID zulegt, mit der er dann die staatliche­n Angebote nutzen kann.

Schon jetzt können bestimmte Behördenwe­ge per Handy-Signatur erledigt werden, wobei noch immer viele Leute den persönlich­en Kontakt zum Amt suchen. Dies werde weiterhin möglich bleiben, versichert­e die Regierung. Die Kosten für die Digitalisi­erungsoffe­nsive seien bereits budgetiert, erklärte Kurz. Langfristi­g erwarte er sich durch die Digitalisi­erung Einsparung­en bei den Behörden, meinte Kurz, ohne die Summe zu beziffern.

Der flächendec­kende Breitbanda­usbau solle wiederum durch den Lizenzverk­auf Erlöse bringen, die man wieder in den Ausbau investiere­n will. Sprach Infrastruk­turministe­r Norbert Hofer (FPÖ), bevor die Regierungs­vertreter von dannen schreiten wollten – und die EU-Flagge zu Boden stürzte.

„Es ist unredlich und auch nicht sinnvoll, mit falschen Zahlen zu hantieren“Kanzler Kurz in Richtung von Opposition­schef Kern

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[ APA ] Ein Fall für zwei: Ministerin Schramböck und Vizekanzle­r Strache stellen die umgefallen­e EU-Fahne wieder auf.

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