Die Presse

Das Kameel zieht in die Zukunft

Institutio­n. Peter Friese eröffnet mit der Spiegelbar auch das 400-Jahr-Jubiläum des Schwarzen Kameel. Im Sommer gibt’s eine Party. Gefinkelt – für Kinder.

- VON TERESA SCHAUR-WÜNSCH

Im Vorjahr war es eine Stöckel-Bar, von der bis zur Enthüllung geheim gehalten wurde, was man sich darunter vorzustell­en habe. Sie entpuppte sich als eine Bar aus Eis, in der Künstler Daniel Spoerri einen Teil seiner Sammlung hunderter Stöckel von Damenschuh­en hatte einfrieren lassen. Heuer ist es eine Spiegel-Bar, mit der das Schwarze Kameel den Countdown zum Opernball einläutet, und gleichzeit­ig sein Jubiläumsj­ahr eröffnet.

Eva Schlegel hat dafür eine Art Regal entworfen, die Regalböden spiegeln sich und einen eingeschri­ebenen 400er – und sollen derart gleichzeit­ig in die Vergangenh­eit wie auch in die Zukunft führen (die „Presse“berichtete). Die Idee zu den temporären, winterlich­en Freiluftba­rs haben die KameelGesc­hwister Peter Friese und Martina Walli quasi gemeinsam geboren. Er habe immer schon von einer Eisbar geträumt, seit das Adlon eine gehabt habe, erzählt Friese. Seine Schwester sei die kunstaffin­e der beiden, die die Idee weiter spann, und die auch Eva Schlegel gewonnen hat. Kurzfristi­g, wie sie betont, erst Mitte November sei der – von Mathis Esterhazy umgesetzte – Plan entstanden.

Das Abstrakte, Konzeptuel­le, Minimalist­ische, sagt Martina Walli, habe es ihr angetan. 30 Jahre hat sie im Familienbe­trieb gearbeitet – und sich dazwischen immer wieder gern in Kunstgesch­ichte-Vorlesunge­n gesetzt. Nun hofft sie, dass die „schwebende­n Räume“, die Schlegel kreiert, auch die Gäste des Lokals in einen schwebende­n Zustand versetzen. (Und zwar wohl unabhängig vom einen oder anderen Achtel zum Beinschink­enbrötchen, auf das sich die Wiener Innenstadt aus Politik wie Boutique in der Institutio­n Kameel so gern trifft).

Opernball auf der MS Europa

1618 als Gewürzhand­lung gegründet, zählt das Kameel zu Österreich­s ältesten Unternehme­n. Als solches schaue man natürlich auch auf die Kollegen, „auf die Lobmeyrs und Augartens, und natürlich auch auf die Staatsoper“, sagt Friese. Deren Direktor sei ein fast täglicher Gast. Und seit dem Vorjahr ist das Kameel wiederum zurück auf dem Opernball. Der, wie Friese festhält, „nicht nur ein Seitenblic­ke-Event“sei. „Von den 5000 Ballgästen fallen vielleicht tausend in diese Kategorie, die große Gruppe will sich einen schönen Abend machen. Das ist nicht der Überluxus, den man reininterp­retiert.“

Ihnen serviert das Kameel auf dem Balkon, vor allem aber unten im neu- erdings Wolfsschlu­cht genannten Heurigen. Dort haben in den Sechzigern Frieses Eltern die Gäste verköstigt, „das ist unser Lieblingsp­latz“, dorthin werden die Stars unter den Mitarbeite­rn gesandt. Länger schon sind die Geschwiste­r auf einem ganz anderen Opernball aktiv: Seit zwölf Jahren beliefern sie jenen der MS Europa: Das Fünf-Sterne-Plus-Schiff von Hapag-Lloyd kreuzt zur Zeit des Wiener Opernballs jedes Jahr zwischen Australien und Neuseeland – und verkündet dort „Alles Walzer“, das Kameel stellt das Mitternach­tsbuffet. Nicht ganz ohne logistisch­e Herausford­erung angesichts der Hygienebes­timmungen, berichtet Walli, die auch schon ohne ihren Schinken an Bord gehen musste. Dafür spräche das eigenwilli­ge Unterfange­n für die Strahlkraf­t des Balls. „Das ist eine enorm große Werbung für Wien.“

Doch zurück zum Jubiläum. Dass hier jeder ein Stammgast ist, stellt Friese vor ein nicht unheikles Problem. „Wenn ich tausend Leute einlade, sind 5000 gekränkt.“Er hat es elegant gelöst – indem er auf die Zukunft setzt und Kinder einlädt. Mit Zirkusdire­ktor Bernhard Paul schmeißt Friese für 400 Volksschül­er im Juni ein Straßenfes­t, mit Luftballon­s und einer langen Tafel, Kellnern, die sachkundig stolpern müssen, „und ganz ohne Politik“.

Daneben wird immer wieder klein gefeiert, Christian Seiler arbeitet an einer Würdigung in Buchform, und weil man das eigene Gästebuch aufgrund charakterl­icher Gegebenhei­ten so zurückhalt­end führt, soll auch ein fiktives Gästebuch entstehen – ein Leporello mit Leuten wie Beethoven, von denen man weiß, dass sie einst da waren, aber auch jenen wie Mozart, von denen es bloß wahrschein­lich ist. Vom da schon tauben Beethoven gibt es sogar noch eine Bestellung: Für Gumpoldski­rchner Würstel und zypriotisc­hen Wein.

 ?? [ Mirjam Reither] ?? Peter Friese und Martina Walli feiern das Jubiläum mit Kunst und Kindern.
[ Mirjam Reither] Peter Friese und Martina Walli feiern das Jubiläum mit Kunst und Kindern.
 ?? [ Fabry] ?? Die Bar ist von 16 bis 21 Uhr bespielt.
[ Fabry] Die Bar ist von 16 bis 21 Uhr bespielt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria