Zahlen sich die Deutschen ihre Exporte selbst?
Die Target-2-Forderungen haben beunruhigende Ausmaße erreicht.
Deutschland hat, überwiegend wegen seiner Exportstärke, 2017 einen Leistungsbilanzüberschuss von 234 Mrd. Euro erzielt. Den höchsten der Welt, doppelt so viel wie China.
Leistungsbilanzüberschüsse sind de facto Kapitalexporte und führen zum Aufbau von Vermögen im Ausland. Fast zwei Billionen Euro hat das im Fall Deutschlands schon erreicht. Das wird jetzt wie gewohnt eine Reihe von Kritikern, vom griechischen Ökonomen bis zum amerikanischen Präsidenten, auf den Plan rufen.
Deren Rezepte: Statt Auslandsvermögen aufzubauen und damit für weltwirtschaftliche Ungleichgewichte zu sorgen, sollten die Deutschen weniger exportieren, mehr importieren und die Investitionen im eigenen Land ankurbeln.
Denn, so das Argument, der Überschuss des einen sei das Defizit des anderen, das Ganze sei also in höchstem Maße unfair.
Das scheint aber zumindest innerhalb der Eurozone so nicht zu stimmen. Erstens hat auch der „Club Med“seine Leistungsbilanzdefizite in den vergangenen Jahre teilweise bedeutend verringert, und zweitens steht dem deutschen Auslandsvermögen ein öffentlich kaum beachteter, aber umso unsicherer Forderungsbrocken gegenüber: Die Forderungen gegenüber dem Euro-Clearingsystem Target 2, über das alle grenzüberschreitenden Eurozonentransfers laufen, sind im Vorjahr um satte 112 Mrd. Euro auf beunruhigende 907 Mrd. Euro gestiegen.
Solche Forderungen entstehen, wenn Deutschland Target-Verbindlichkeiten anderer Länder bei der EZB nicht eintreibt. Sehr hohe Verbindlichkeiten gegenüber diesem System haben Spanien, Italien und Frankreich. D ie deutsche Exportstärke hat dort zwar für Leistungsbilanzdefizite gesorgt, über Nichteintreibung von Forderungen finanziert Deutschland aber einen nicht geringen Teil dieser Defizite mit. Sehr simplifiziert könnte man sagen: Die Deutschen bezahlen sich einen Teil ihrer Eurolandexporte durch Nichteintreiben der damit verbundenen Forderungen selbst. Kein Wunder, dass man über dieses System nicht gern öffentlich diskutiert.