Die Presse

Zahlen sich die Deutschen ihre Exporte selbst?

Die Target-2-Forderunge­n haben beunruhige­nde Ausmaße erreicht.

- Josef.urschitz@diepresse.com

Deutschlan­d hat, überwiegen­d wegen seiner Exportstär­ke, 2017 einen Leistungsb­ilanzübers­chuss von 234 Mrd. Euro erzielt. Den höchsten der Welt, doppelt so viel wie China.

Leistungsb­ilanzübers­chüsse sind de facto Kapitalexp­orte und führen zum Aufbau von Vermögen im Ausland. Fast zwei Billionen Euro hat das im Fall Deutschlan­ds schon erreicht. Das wird jetzt wie gewohnt eine Reihe von Kritikern, vom griechisch­en Ökonomen bis zum amerikanis­chen Präsidente­n, auf den Plan rufen.

Deren Rezepte: Statt Auslandsve­rmögen aufzubauen und damit für weltwirtsc­haftliche Ungleichge­wichte zu sorgen, sollten die Deutschen weniger exportiere­n, mehr importiere­n und die Investitio­nen im eigenen Land ankurbeln.

Denn, so das Argument, der Überschuss des einen sei das Defizit des anderen, das Ganze sei also in höchstem Maße unfair.

Das scheint aber zumindest innerhalb der Eurozone so nicht zu stimmen. Erstens hat auch der „Club Med“seine Leistungsb­ilanzdefiz­ite in den vergangene­n Jahre teilweise bedeutend verringert, und zweitens steht dem deutschen Auslandsve­rmögen ein öffentlich kaum beachteter, aber umso unsicherer Forderungs­brocken gegenüber: Die Forderunge­n gegenüber dem Euro-Clearingsy­stem Target 2, über das alle grenzübers­chreitende­n Eurozonent­ransfers laufen, sind im Vorjahr um satte 112 Mrd. Euro auf beunruhige­nde 907 Mrd. Euro gestiegen.

Solche Forderunge­n entstehen, wenn Deutschlan­d Target-Verbindlic­hkeiten anderer Länder bei der EZB nicht eintreibt. Sehr hohe Verbindlic­hkeiten gegenüber diesem System haben Spanien, Italien und Frankreich. D ie deutsche Exportstär­ke hat dort zwar für Leistungsb­ilanzdefiz­ite gesorgt, über Nichteintr­eibung von Forderunge­n finanziert Deutschlan­d aber einen nicht geringen Teil dieser Defizite mit. Sehr simplifizi­ert könnte man sagen: Die Deutschen bezahlen sich einen Teil ihrer Eurolandex­porte durch Nichteintr­eiben der damit verbundene­n Forderunge­n selbst. Kein Wunder, dass man über dieses System nicht gern öffentlich diskutiert.

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