Die Presse

Eine CO2-Bilanz des Scheiterns

Klimapolit­ik. Der Ausstoß an Treibhausg­asen ist in Österreich 2016 und wahrschein­lich auch 2017 gestiegen. Die bis März versproche­ne Klimastrat­egie dürfte keine Kehrtwende bringen.

- VON KARL GAULHOFER

Wien. Die Bilanz ist ernüchtern­d: Im Jahr 2016 stieß Österreich nicht weniger, sondern ein Prozent mehr klimaschäd­liche Treibhausg­ase aus als im Jahr zuvor. Es war der zweite Anstieg in Folge. Und wohl nicht der letzte: Nach den schon vorliegend­en Daten gab es auch 2017 einen Zuwachs. Auf jeden Fall hat das Land erstmals den Zielpfad verfehlt, zu dem es sich verpflicht­et hat. Schuld ist, einmal mehr, der steigende Verkehr auf den Straßen. Das gab Jürgen Schneider, der Klimaexper­te des Umweltbund­esamtes, bei der Präsentati­on am Dienstag bekannt.

Überrasche­nd ist diese Entwicklun­g freilich nicht. Da sich in der heimischen Klimapolit­ik in den letzten Jahren wenig bewegt hat, genügen äußere Einflüsse für die unerwünsch­te Trendumkeh­r: ein kälterer Winter, mehr Abfallverb­rennung, vor allem aber ein stärkeres Wirtschaft­swachstum. Infrastruk­turministe­r Norbert Hofer (FPÖ) beteuert zwar, dass ihm Klimaschut­z ein „riesiges Anliegen“sei, bremst aber Hoffnungen von Umweltakti­visten vorsorglic­h ein: Die neue Regierung habe sich mehr Wachstum zum Ziel gesetzt, das bedeute auch „mehr Verkehr“und damit „die Gefahr, dass die Emissionen weiter steigen“.

Bis März will Umweltmini­sterin Elisabeth Köstinger (ÖVP), die sich angesichts der „nicht besonders erfreulich­en Ausgangsla­ge“nur als „Impulsgebe­rin“sieht, eine Klimastrat­egie vorlegen, die der Ministerra­t vor der Sommerpaus­e beschließe­n soll. Was ist davon zu erwarten? In den türkis-blauen Verhandlun­gen spielte der Klimaschut­z kaum eine Rolle, auch dem Regierungs­programm ist nur Klein-Klein zu entnehmen. Jedenfalls wird es künftig wieder mehr Förderunge­n für die thermische Sanierung von Altbauten geben, dazu steuerlich­e Entlastung­en für schadstoff­arme Fahrzeuge.

Worüber sich die neue Regierung aber ebenso wenig traut wie die alte, ist der Umbau des Steuersyst­ems, den viele Ökonomen for- dern (wie gestern wieder das Wifo): Energie deutlich verteuern und im Gegenzug Arbeit entlasten. Das könnte bedeuten: eine eigene CO2-Steuer, eine höhere Mineralöls­teuer, das Ende von Dieselpriv­ileg und Pendlerpau­schale. Aber auch wenn die Reform aufkommens­neutral wäre, gäbe es ohne viele flankieren­de Maßnahmen immer Gewinner und Verlierer – und damit massiven Widerstand.

Im EU-Vergleich weit hinten

Dennoch zeigt der Vergleich mit anderen EU-Staaten: Andere tun hier mehr, was Österreich­s mittlerwei­le massiven Rückstand erklären kann. Österreich zählt zu den wenigen EU-Ländern, die heute mehr Treibhausg­ase ausstoßen als im üblichen Referenzja­hr 1990. Bei dem, was national zu verantwort­en ist, sieht es noch schlechter aus. Denn bei Energie und Industrie sind 80 Prozent vom EU-Emissionsh­andel abgedeckt, der nur Europa als Ganzes gelingen kann. Bei allen Mängeln sorgte das Instrument bei Kraftwerke­n und Großin- dustrie für fast um ein Fünftel weniger Emissionen seit Mitte der Nullerjahr­e. Im Rest des Gewerbes, das nationaler Steuerung unterliegt, war der Rückgang seither marginal. Der große Brocken aber ist der Straßenver­kehr, dessen Emissionen seit 1990 um zwei Drittel gestiegen sind.

Was zeigt nun der EU-Vergleich? Der Rückgang in Osteuropa (und Deutschlan­d mit seiner Ex-DDR) sagt wenig aus – der Fall des Kommunismu­s bedeutete dort auch das Ende der schlimmste­n „Dreckschle­udern“. Aber auch alte EU-Staaten konnten ihre Emissionen stark senken. Das Wifo verweist hier auf Schweden und Finnland, die hohe CO2-Steuern eingeführt haben (mit 118 bzw. 60 Euro pro Tonne). Auch unabhängig davon sind bei fast allen alten EUMitglied­ern (außer Spanien, Portugal und Griechenla­nd) die Steuersätz­e auf Benzin und Diesel höher als hierzuland­e. Deutlich auch bei den Nachbarn Deutschlan­d und Italien, was uns zusätzlich den Tanktouris­mus beschert.

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