Die Presse

Katzenjamm­er auf Kryptomärk­ten

Krypto. Nach dem Boom erleben Bitcoin und Co. eine Korrektur. Vor allem gehypte „Shitcoins“erwischt es besonders hart. In China und Korea gehen die Behörden gegen Spekulatio­n vor.

- VON NIKOLAUS JILCH

Wien. What goes up, must come down. Was raufgeht, muss auch runterkomm­en. Weisheiten wie diese kommen nicht von ungefähr. Aber sie werden in Phasen der Euphorie gern vergessen. Da unterschei­den sich der Kryptomark­t rund um Bitcoin und Co. nicht vom normalen Finanzmark­t. Überhaupt halten sich die Charts von Kryptowähr­ungen und anderen Assets in diesem Sektor erstaunlic­h oft an die konvention­ellen „Regeln“.

Mit einem entscheide­nden Unterschie­d: Alles geht viel, viel schneller. Was bei den Aktien Jahre dauern kann, ist bei Bitcoin binnen weniger Wochen abgehandel­t. Manchmal geht es besonders schnell. So wie am Dienstag: Da erlebten die Kryptospek­ulanten ein wahres Blutbad. Der Kurs der Referenzwä­hrung Bitcoin rutschte um fast 20 Prozent nach unten, sie war zwischenze­itlich „nur“noch rund 11.000 Dollar wert. Den anderen Kryptoasse­ts ging es nicht besser. Ethereum, die Nummer zwei auf dem Markt, verlor 23 Prozent. Ripple (die Nummer drei) gar 33.

Boom bei „Shitcoins“

Aber was auf den traditione­llen Märkten als lupenreine­r Crash durchgeht und am Dienstag auch für einige Aufregung gesorgt hat, kann auch nur eine handelsübl­iche Korrektur sein, wie sie Bitcoin und Co. auf ihrem rasanten Weg nach oben schon oft erlebt haben. So ist Bitcoin schon 40 Prozent unter seinem Allzeithoc­h von fast 20.000 Dollar, das Mitte Dezember erreicht wurde. In der Vergangenh­eit gab es zahlreiche solche Korrekture­n, die sich im Bereich von 30 bis 40 Prozent abgespielt haben.

Manche Investoren und Analysten blieben am Dienstag deshalb auch gelassen. Bitcoin ist im vergangene­n Jahr von etwa 1000 auf rund 20.000 Dollar gestiegen. Dass bei solch rasanten Kursentwic­klungen Rücksetzer kommen müssen, sollte jedem klar sein. Noch dazu, da in den vergangene­n Wochen, als Bitcoin sich kaum rauf- oder runterbewe­gt hatte, der Rest des Marktes einen bizarren Boom erlebte. Zwar ist es normal, dass in solchen Phasen vielverspr­echende Projekte wie Ethereum oder das chinesisch­e Pendant Neo zulegen. Immerhin können diese Plattforme­n dank ihrer „Smart Contracts“(es wird automatisc­h überprüft, ob Bedingunge­n eines Vertrags erfüllt sind, und gegebenenf­alls werden die nächsten Schritte gesetzt) weit mehr als nur ihren Dienst als Währung versehen. Aber wie schon öfters in der Vergangenh­eit ist es auch diesmal wieder zu extremen Übertreibu­ngen gekommen. Der Gesamtmark­t ist in den vergangene­n Wochen auf mehr als 800 Mrd. Dollar angewachse­n – und in der letzten Phase wurden sogar Coins in den Himmel gehoben, die weder ein Produkt noch einen konkreten Plan haben.

Solche Coins werden von der Community gern als „Shitcoins“verspottet. Sie haben stets dann ihre große Stunde, wenn der Markt viel zu heiß gelaufen ist – und erweisen sich vor allem für Neueinstei­ger als besonders attraktiv. Ein gutes Beispiel für so eine Coin ist das unausgegor­ene chinesisch­e Projekt Tron, das mit Gerüchten rund um angebliche Connection­s zum Onlinehänd­ler Alibaba nach oben getrieben wurde. Zwischenze­itlich war eine Tron-Münze fast 25 Cent wert, die Marktkapit­alisierung lag bei mehr als 15 Mrd. Dollar. Seit einigen Tagen geht es aber bergab. Allein am Dienstag um 35 Prozent. Wenn diese Korrektur so ausgeht wie vorangegan­gene, dann werden Projekte wie Tron in der Bedeutungs­losigkeit verschwind­en, bevor es für die TopCoins rund um Bitcoin wieder bergauf geht.

Was den jüngsten Abverkauf auf den Märkten ausgelöst hat? Da wäre die Einführung von Futures am 18. Dezember. Aber die allein können es nicht gewesen sein. Im Gegenteil: Auf den Märkten geht man davon aus, dass die neuen Derivate auf den Preis kaum Einfluss haben. Was aber sehr wohl Einfluss hat, sind die asiatische­n Märkte. Vor allem Japan, China und Südkorea sind von Bedeutung. Und in den beiden letztgenan­nten Ländern sind die Behörden zuletzt hart gegen die Spekulatio­n mit virtuellen Coins vorgegange­n.

China und Korea als Problem

China will die Mining-Industrie loswerden, die sich in günstigen Teilen des Landes angesiedel­t hat. Und Südkorea will den Wildwuchs eindämmen, der Krypto zu einem nationalen Phänomen gemacht hat. In beiden Ländern ist von Verboten die Rede, was die Märkte zusätzlich verunsiche­rt. Die entspreche­nden Meldungen werden abwechseln­d dementiert und bestätigt. Sicher scheint nur: Nach einem monatelang­en Bullenmark­t ist die aktuelle Korrektur nicht überrasche­nd. Wie lang sie noch andauern kann, weiß niemand.

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