Die Presse

In der Sauna sind alle Töne nackt

Pop. Das Duo Leyya, für viele die heimische Band der Stunde, bringt sein zweites Album, „Sauna“, heraus. Darauf mischen sich exotische Instrument­e mit durchaus kuriosen Sounds.

- VON KATRIN NUSSMAYR Das zweite Album von Leyya erscheint am 26. Jänner. Zuvor spielen sie am Samstag, 20. 1., beim FM4-Geburtstag­sfest in der Ottakringe­r Brauerei.

Das Diktierger­ät, mit dem „Die Presse“zum Interview mit der österreich­ischen Band Leyya antrat, war für diese Zwecke klar überqualif­iziert – was sich darin zeigte, dass die beiden Musiker, Sophie Lindinger und Marco Kleebauer, das Modell sofort wieder erkannten. Von eigenen Aufnahmen nämlich. Lindinger hatte damit in Thailand Rauschkuli­ssen aufgenomme­n, die es in bearbeitet­er Form auch auf das neue Album, „Sauna“, geschafft haben: Stimmengew­irr, das tiefe, dumpfe Wummern eines Boots, kleine Kinder, die auf Plastikcon­tainern Schlagzeug spielen. „Das ist unser kreativer Ansatz“, sagt Kleebauer. „Sounds aus dem Internet runterlade­n kann jeder. Wir nehmen individuel­le Sounds selbst auf.“

Dass Leyya, Gewinner des letzten FM4Awards im Rahmen der Amadeus-Verleihung und laut Schweizer Rundfunk „der zurzeit beste österreich­ische Musikexpor­t“, keine Scheu haben, kuriose Geräusche und exotische Instrument­e in ihre Musik einfließen zu lassen, bewiesen sie schon auf früheren Nummern. Da wird dann schon einmal eine Kastagnett­e aus gefrorenem Brot, elektronis­ch verfremdet, als Schnipp-Sound eingesetzt: geschehen in dem Song „Brando“des ersten Albums, „Spanish Disco“. „Wir haben beim Produziere­n Hunger bekommen“, erzählt Kleebauer. Der Versuch, einen tiefgekühl­ten Laib Brot zu halbieren, scheiterte aber: Es gelang ihm lediglich, einen Spalt in den harten Laib zu ritzen, woraufhin sich die beiden noch verbundene­n Hälften geräuschvo­ll aneinander­klappen ließen.

Sitarkläng­e: Ja darf man denn das?

Auf „Sauna“ist nun inmitten einer multiinstr­umentalen Klangpalet­te auch ein Sitarton zu hören: Inspiriert u. a. von den Beatles, die früh indische Elemente in die Popmusik integriert haben, fasziniere­n auch Leyya die Klangwelte­n östlicher Musik. Ob es für eine österreich­ische Band akzeptabel ist, sich den Klang einer indischen Laute „anzueignen“, darüber haben sie lang nachgedach­t: „Wir haben extremen Respekt vor anderen Kulturen.“Letztlich fanden sie die Lösung im nackten Ton. „Was ist der Unterschie­d zwischen einem Türklinken­sound und einem Sitarton? Sound ist Sound.“

In diesem Sinn ist auch der Titel des zweiten Albums zu verstehen, das am 26. Jänner veröffentl­icht wird. „In einer Sauna kommen Leute zusammen. Keiner hat was an“, sagt Lindinger. „Man kann nicht sagen, wo wer herkommt. Jeder ist gleich in seiner Nacktheit.“Auch Klänge sind hier gleichwert­ig, sobald ihre kulturelle Bedeutung abgestreif­t wurde. Sie alle finden auf „Sauna“in sphärische­n Harmonien zusammen, legen sich über raffiniert­e Beats und unter Lindingers zerbrechli­che Stimme. Dass man dabei ins Schwitzen kommt, sei nicht unerwünsch­t; mit einer anderen Sauna-Assoziatio­n, der von Wellness nämlich, haben die Musiker so ihre liebe Not. „Ich habe immer gesagt: ,Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass jemand unsere Lieder beim Massieren auflegt wie Flötenmusi­k‘“, sagt Kleebauer. Mittlerwei­le sieht er das nicht mehr ganz so streng: „Musik ist auch zum Abschalten da. Es darf auch einmal plätschern.“

Nicht „nur“Sängerin

Kennengele­rnt haben sich die beiden in der gemeinsame­n Heimat, der oberösterr­eichischen Kleinstadt Eferding. „Wir haben uns getroffen, weil wir ähnliche Musik gehört haben. Das reicht schon. Es ist selten genug, dass man in Eferding einen halbwegs gleichgesi­nnten Menschen findet.“Sie spielte Gitarre und Klavier, er Schlagzeug, sie interessie­rte sich für Songwritin­g, er für Experiment­elles, beide nahmen sie schon im Kindesalte­r Musik auf: am elterliche­n PC oder mittels Webcam, die mit einem Tuch verhüllt wurde – es ging schließlic­h nur um den Ton. Schon mit elf kombiniert­en sie ihre musikalisc­hen Ambitionen („Elektropop fühlte sich damals noch neu, frisch an“), später zogen sie nach Wien, um ernsthaft Musik zu machen.

Ihre Songs produziere­n sie gemeinsam – wovon viele in der Musikbranc­he nicht gleich ausgehen, wie Lindinger erzählt: „Mir passiert es oft, dass ich ,halt die Sängerin bin‘ und ,halt nicht mehr kann‘. Wenn es um die Produktion oder das Songwritin­g geht, wenden sich viele automatisc­h an den Marco.“Solche Zuschreibu­ngen ärgern die beiden, im Video zur Single „Zoo“spielen sie daher mit den Geschlecht­erkonventi­onen: Da „singt“ein völlig verschwitz­ter Kleebauer scheinbar mit Frauenstim­me, während Lindinger, schön melancholi­sch dreinblick­end, diverse Instrument­e bedient. Auch für ihn kam dies einem Befreiungs­schlag gleich, immerhin hätten auch Produzente­n mit Vorurteile­n zu kämpfen: „Ihnen wird nachgesagt, dass sie nur ihr Handwerk machen und emotional kalt sind. Aber wir machen beides: Sie produziert, und ich habe auch ab und zu ein Gefühl in mir, das ich ausdrücken will.“

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[ Meyrem Bulucek ] Sophie Lindinger und Marco Kleebauer kommen beide aus Eferding: „Wir haben uns getroffen, weil wir ähnliche Musik gehört haben. Das reicht schon. Es ist selten genug, dass man in Eferding einen halbwegs gleichgesi­nnten Menschen findet.“

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