Die Presse

Nur ein Sturm im Wasserglas

Gastkommen­tar. Obwohl das Insolvenzr­echt geändert worden ist, ist alles beim Alten geblieben. Nur Schuldner haben es schwerer.

- VON WOLFGANG F. VOGEL Wolfgang F. Vogel arbeitet für die Firmengrup­pe Reaktiv, die Arbeitslos­en hilft, wieder auf den Arbeitsmar­kt zu kommen, und vor allem in der Beratung von Schuldnern. E-Mails an: debatte@diepresse.com

Es gab große Aufregung, als vor einem Jahr eine Änderung des Insolvenzr­echts und da besonders im Bereich des Privatkonk­urses angekündig­t wurde. Der Konkurs sollte nur noch drei Jahre dauern, und es sollte auch keine Mindestquo­te geben. Also: Auch wenn jemand gar nicht zahlt, sollte er von seinen Schulden befreit werden.

Den Menschen werde so das Schuldenma­chen zu leicht gemacht, hörte man insbesonde­re Leute aus der Wirtschaft jammern. Inzwischen ist das Gesetz da – und man kann das kurze Resümee ziehen: Es ist alles beim Alten geblieben. Ja, für die Schuldner wurde es sogar noch ein bisserl schwierige­r.

Jetzt – wie auch früher schon – haben die Schuldner zwei Möglichkei­ten, das Konkursver­fahren mit Restschuld­befreiung zu beenden: Der Zahlungspl­an, der ein unter gerichtlic­her Aufsicht geschlosse­ner Vergleich ist und nicht länger als sieben Jahre dauern darf. Sonst gibt es keine Regeln. Dem Plan müssen aber die Hälfte der Gläubiger, die auch die Hälfte der Schulden halten, zustimmen. Kommen diese Mehrheiten nicht zustande, wird ein Abschöpfun­gsverfahre­n eröffnet, bei dem alles, was pfändbar ist, abgeschöpf­t wird.

Da kommt jetzt der Unterschie­d: Das Verfahren dauert nur noch fünf Jahre, und es gibt keine Mindestquo­te mehr. Bisher dauerte es sieben Jahre, und es mussten mindestens zehn Prozent der Schulden zurückgeza­hlt werden.

Gerichte sollen Sache klären

Die größte Änderung wurde indes zum Rohrkrepie­rer: Bisher konnte man erst dann zum Abschöpfun­gsverfahre­n kommen, wenn der Zahlungspl­an – wiewohl zulässig – von den Gläubigern abgelehnt wurde. Im Internet wurde bereits ein Formular für ein Abschöpfun­gsverfahre­n „ohne Zahlungspl­an“aufgelegt.

Reine Makulatur! Es geht nämlich nicht ohne Zahlungspl­an, die einschlägi­ge Gesetzesst­elle wurde nämlich nicht geän- dert. Neu ist lediglich, dass jemand, der am Existenzmi­nimum lebt, „keine Zahlungen“anbieten muss. Wohl aber einen Zahlungspl­an. Und das ist selbst für Juristen nur schwer erklärlich: Ist die planvolle Aneinander­reihung von Zusagen, nichts zu zahlen, ein Zahlungspl­an? Optimisten vor allem im Ministeriu­m hoffen auf „die Gerichte“, die das klären werden.

Auch Zeit spielt eine Rolle

Dann gibt es aber noch ein Problem: Das Gericht muss beim Konkursant­rag prüfen, ob wenigstens die Kosten des Treuhänder­s, der das Gepfändete an die Gläubiger weiterreic­ht, aufgebrach­t werden können. Woher aber, wenn der Schuldner ohnehin nur null Euro anbietet, weil mehr nicht geht? Wenn aber die rund 15 Euro im Monat aufgebrach­t werden können, warum werden sie dann nicht den Gläubigern in einem Zahlungspl­an angeboten? Immerhin könnten sie dann die Entscheidu­ng treffen, ob sie dies als Rate annehmen.

Und damit bleibt alles wieder beim Alten. In der Praxis wird ja immer eine kleine Rate angeboten, die dann bei der Tagsatzung auf eine realistisc­he Höhe hinaufverh­andelt wird. Und auch die Zeit spielt eine Rolle: Meist knüpfen die Gläubiger ihre Zustimmung zum Zahlungspl­an an eine Laufzeit von sieben Jahren.

Denn das Abschöpfun­gsverfahre­n ist bei den Schuldnern zu Recht nicht beliebt: Immerhin muss jährlich der Nachweis erbracht werden, dass man sich um eine Arbeit bemüht und keine zumutbare Beschäftig­ung ausgeschla­gen hat.

Das ist schon komplizier­t genug. Dass das fünfjährig­e Verfahren mit einer siebenjähr­igen Prüfung eingeleite­t werden muss, kümmert nur weniger. Das ist ein Schlampigk­eitsfehler in der Gesetzesno­velle.

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