Warum Herr Doktor andere Befunde erhält als Frau Doktor
Laborpraxis. Viele Experimente lassen sich nicht reproduzieren, weil irgendeine übersehene Randbedingung anders ist. Eine ist das Geschlecht der Experimentatoren, es schlägt sowohl bei Versuchstieren wie Testpersonen durch. Aber etwa bei Schmerzen ganz an
Wenn ein Medikament entwickelt wird, etwa eines zum Dämpfen von Schmerzen, dann wird es in der entscheidenden Phase erst an Tieren getestet, Mäusen meist, und dann an Menschen. Aber bei beiden sind Schmerzen keine Konstanten, ihr Grad wird auch vom Experiment bzw. klinischen Test beeinflusst. Da kann viel mitspielen, die Umwelt des Labors etwa, bei Tieren bis hin zum Futter. Aber auch das Geschlecht der Versuchstiere bzw. -personen, es ist bei Tieren wie Menschen meist männlich, weshalb viele Medikamente bei Frauen nicht so wirken wie von den Tests erhofft.
Und es geht nicht nur um das Geschlecht der Getesteten, sondern auch um das derer, die das Experiment ausführen: Jeffry Mogil (Montreal), der seit Jahren der Frage nachgeht, wie Ergebnisse von Experimenten von deren Design mit bestimmt werden, hat es an Mäusen gezeigt: Denen ließ er in seinem Labor Schmerzen unterschiedlichen Grades zufügen, von weiblichen oder männlichen Mitarbeitern. Bei Letzteren reagierten die Mäuse viel weniger, ihre Schmerzschwelle wurde durch die Anwesenheit der Männer nach oben gehoben, präziser: durch ihren Geruch. Die Männer mussten auch gar nicht anwesend sein, ein verschwitztes T-Shirt hatte die gleiche Wirkung, und der Geruch musste auch nicht der von Menschen sein, auch die Anwesenheit von anderen männlichen Versuchstieren hatte den gleichen Effekt (Nature Methods 11, S. 629).
Mäuse: Männer mildern Schmerzen
Molekular lief das Mildern der Schmerzwahrnehmung über die vermehrte Ausschüttung von Stresshormonen, mit denen sich die Versuchsmäuse gegen potenzielle Bedrohungen durch Männchen wappneten. Das wird wohl bei Menschen auch so sein?! Nein, bei ihnen ist es gerade umgekehrt, das bemerkte Colin Chapman (Uppsala), als er die Literatur auf den Geschlechtseffekt auf Menschen in Labors durchforstete. In denen der Psychologen herrscht seit 2015 große Aufregung, da war publiziert worden, dass von hundert Studien zwei Drittel nicht reproduziert werden konnten. Das muss nicht heißen, dass die Ergebnisse falsch waren, es kann einfach daran liegen, dass irgendeine übersehene Randbedingung anders war.
Etwa wieder das Geschlecht der Forscher, man weiß es etwa von IQ-Tests: Werden sie von Frauen durchgeführt, sind die Ergebnisse der Probanden besser; umgekehrt ist es bei Tests der Fähigkeit des Problemlösens, hier haben Getestete bessere Werte, wenn die Tester Männer sind. Und wenn von Psychologen etwa die sexuelle Aktivität abgefragt wird, geben männliche Befragte gegenüber männlichen und weiblichen Befragern ganz andere Auskünfte: Bei Frauen – gar bei als attraktiv empfundenen, auch das spielt mit – schlägt das Imponiergehabe mit höheren Zahlen durch. Männer: Frauen mildern Schmerzen
Na ja, da wird sich der potenzielle Schaden in Grenzen halten. Höchst problematisch wird es aber in der Medizin: Auch in klinischen Tests verhalten sich Männer gegenüber Frauen anders, wenn es um Schmerzen bzw. Medikamente geht, da werden sie zu Indianern: Anders als bei Mäusen erhöhen bei Menschen Frauen als Tester die Schmerztoleranz von Männern (Science Advances 11. 1.).
„Wenn man ein Schmerzmittel testet, kann das Ergebnis weniger vom Mittel abhängen und mehr davon, wer den Test ausführt“, schließt Chapman. Zu Abhilfe regt er an, dass in Publikationen das Geschlecht der Experimentatoren vermerkt werden soll, vielleicht auch andere Persönlichkeitsmerkmale wie Alter und ethnische Zugehörigkeit.