Kultusgemeinde boykottiert FPÖ
Zwist. Vertreter der jüdischen Gemeinde wollen alle Gedenkveranstaltungen boykottieren, an denen FPÖMinister teilnehmen. Diese haben aber vor hinzugehen. Die Gemeinde plant darum Parallelveranstaltungen.
Zu den Feierlichkeiten zum HolocaustGedenktag rund um den 27. Jänner will sich zwar FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache einfinden, die offiziellen Vertreter der jüdischen Gemeinde aber nicht. Bei vielen weiteren Veranstaltungen im Erinnerungsjahr soll es sich ähnlich gestalten
Was absurd klingt, ist fixes Vorhaben der Spitze der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG). „Wenn Minister der FPÖ anwesend sein werden – und ich bin sicher, sie werden –, sehe ich mich außerstande, deren Hände zu schütteln. Die jüdische Gemeinde wird nicht teilnehmen“, sagt IKG-Präsident Oskar Deutsch zur „Times of Israel“.
Die mehrheitlich sozialdemokratisch geprägte IKG boykottiert die Zusammenarbeit mit der FPÖ seit Langem. Anfang Jänner fasste die Kultusgemeinde einen einstimmigen Beschluss, nicht mit FPÖ-Ministern zu arbeiten. Auch Chaj, die von ÖVP-Mandatar Martin Engelberg gegründete Partei, stimmte dafür. Für die Gemeinde war das keine leichte Entscheidung, sie ist gerade in den Bereichen Sicherheit und Soziales auf Kooperation angewiesen: etwa, wenn es um einen Austausch mit dem Verfassungsschutz geht, spezielle Sicherheitsmaßnahmen oder um Integrationsmaßnahmen für neu zugewanderte Juden. „Es kann niemals Normalität werden, dass eine rechtspopulistische bis rechtsextreme Partei, deren Vertreter immer wieder Schwierigkeiten hatten, sich vom Nationalsozialismus zu distanzieren, Regierungsverantwortung hat“, so Deutsch.
Vertrauensbildende Maßnahmen
Mit einer Annahme liegt er übrigens richtig: Die freiheitlichen Minister haben vor, an Gedenkfeierlichkeiten teilzunehmen. Das gehört auch zu den Aufgaben von Regierungsmitgliedern – und gerade die FPÖ müsste bei Fernbleiben wohl mit schlechter Nachrede rechnen. „Selbstverständlich wird der Vizekanzler teilnehmen. Wir richten die Veranstaltungen ja auch aus“, heißt es aus dem Büro von Heinz-Christian Strache. Auch Innenminister Herbert Kickl hat vor hinzugehen. Erst vor einigen Tagen gingen die Wogen wegen seiner Aussage, „Flüchtlinge konzentrieren“zu wollen, hoch. Kickl wurde NS-Diktion vorgeworfen. Er erklärte, es so nicht gemeint zu haben. „Ein solcher Entschluss der IKG wäre sehr bedauerlich. Ich möchte festhalten, dass meine Türen für Gespräche und vertrauensbildende Maßnahmen immer offen sind und bleiben“, sagt Kickl auf „Presse“-Anfrage zum Vorhaben der IKG. Er wolle mit weiteren politischen Maßnahmen und einer würdigen Gestaltung des Gedenkjahres einen Beitrag zu einer besseren Vertrauensbasis leisten.
Kickls Personalentscheidung, Alexander Höferl zum Kommunikationschef zu bestellen, wird von der IKG nicht als vertrauensbildende Maßnahme beurteilt. Der schlagende Burschenschafter ist bei der Verbindung Gothia. Auf ihrer Website wird unter „Berühmte Gothen“etwa Georg Schönerer genannt, der als Wegbereiter des politischen Antisemitismus gilt und Vorbild Adolf Hitlers war. Er vertrat eine völkisch-germanische Ideologie, die mit radikalem Antisemitismus einherging, den er konsequent rassisch begründete. Das Symbol der Schönerer-Bewegung ist übrigens die blaue Kornblume, die die FPÖ traditionell bei der Angelobung im Parlament trägt. Dieses Mal verzichtete sie darauf und trug Edelweiß.
ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz betonte in seiner Antrittsrede: „Antisemitismus hat in Österreich und Europa keinen Platz.“Dafür werde eine Regierung unter seiner Führung Sorge tragen. Dass sich das Verhältnis zur jüdischen Gemeinde durch eine Regierungsbeteiligung der FPÖ verkomplizieren könnte, das hat er wohl geahnt. Auch deswegen wurde Parteikollegin Karoline Edtstadler im Innenministerium als Staatssekretärin installiert. Sie ist für Gedenken zuständig und sagt zur „Presse“: „Ein gutes Einverneh- men mit der Israelitischen Kultusgemeinde ist mir sehr wichtig. Gerade im Rahmen des Gedenkjahres 2018 verstehe ich mich als Brückenbauerin.“Auch die FPÖ hat einen Mandatar, der sich berufen sieht, Brücken zu bauen. David Lasar hat jüdische Wurzeln und sagt zur Ankündigung der IKG: „Gerade im Gedenkjahr der Republikgründung, aber auch in Anbetracht der Pogromnacht von 1938 würden sich viele Möglichkeiten der Aussprache und Versöhnung bieten.“
Anbahnungsversuche mit Israel
Die FPÖ bemüht sich schon seit mehreren Jahren um bessere Beziehungen zu Israel – es gab auch Treffen mit Politikern der israelischen Likud-Regierungspartei. Nach Bildung der türkis-blauen Koalition entschied die israelische Regierung, „momentan“zu FPÖ-geführten Ministerien lediglich Kontakte auf Beamtenebene zu pflegen. Gleichzeitig forderte Premier Benjamin Netanjahu, die Beziehungen zur österreichischen Regierung neu zu bewerten. In Jerusalem hat man die proisraelischen Töne der FPÖ wahrgenommen. Netanjahu hielt die seit dem Jahr 2000 bestehende Kontaktsperre mit freiheitlichen Politikern dem Vernehmen nach jedoch aufgrund des Drucks von jüdischen Organisationen trotzdem aufrecht.
Auch in der jüdischen Gemeinde in Wien gibt es durchaus abweichende Stimmen – manche, wie etwa der Unternehmer Martin Schlaff, rechnen es der FPÖ an, auf die Antisemitismusgefahr durch muslimische Zuwanderer deutlich aufmerksam gemacht zu haben.