Die Presse

Markus Söder zieht mit dem Füllhorn in den Wahlkampf

Bayern. Neun Monate vor der Landtagswa­hl stellt sich die CSU neu auf. Als erstes wirft sie Millionen von Euro unters Volk.

- Von unserem Mitarbeite­r PAUL KREINER

Tausende neuer Wohnungen, vom Freistaat gebaut, Eigenheimz­ulagen für Familien und ein Baukinderg­eld obendrauf; ein eigenes Landes-Pflegegeld, ein weiterer Ausbau der Kinderbetr­euung, noch 1000 Polizisten mehr; eine eigene Grenzpoliz­ei, der Verzicht auf Bürgerbeit­räge zum Ausbau kommunaler Straßen: Hält man Markus Söder vor, all die Wohltaten, die er da ankündigt, würden locker einen dreistelli­gen Millionenb­etrag verschling­en, dann nickt der künftige Ministerpr­äsident mit dem Kopf. „Das können wir alles sehr bequem finanziere­n“, sagt er dann und spricht von fünf Milliarden Euro Rücklagen, zuzüglich nicht genutzter Privatisie­rungserlös­e.

„Näher am Menschen sein“, das neue CSU-Motto neun Monate vor der Landtagswa­hl, lässt man sich einiges kosten. An der kompletten Rückzahlun­g der Staatsschu­lden bis 2030 will Bayern dennoch festhalten. Einen „Aufbruch darstellen“, das war Söders Absicht bei der Klausurtag­ung der CSU-Landtagsfr­aktion im oberfränki­schen Kloster Banz, und zusammen mit Fraktionsc­hef Thomas Kreuzer hält er das Unternehme­n für gelungen. Jetzt muss nur noch Ministerpr­äsident Horst Seehofer, wie versproche­n, seinen Stuhl räumen. „Irgendwann, im März irgendwann . . .“, stöhnt Söder, sichtlich genervt davon, dass er den genauen Termin für die Amtsüberga­be noch immer nicht kennt.

Dreieinhal­b Tage Banz: Nach dem Treffen ihrer Bundestags­gruppe in Kloster Seeon vor zehn Tagen war das nun schon die zweite Klausurtag­ung der CSU zum Jahresauft­akt. Sichtbar ist nun die neuartige Aufstellun­g, mit der die Partei in die Herausford­erungen des Jahres geht. Parteichef Seehofer und der designiert­e Ministerpr­äsident Söder haben ihre Reiche entflochte­n: Söder war nicht beim Bundestags­treffen in Seeon, und in Banz hat er nun angekündig­t, bei den Koalitions­verhandlun­gen in Berlin werde er nicht mehr dabei sein: Bundespoli­tik ist Seehofers Aufgabe; Söder, ab nun Wahlkämpfe­r, will „Landespoli­tik pur“machen und „bei den Menschen sein“.

Seehofer überließ Söder die Show

Seehofer wiederum war bei der Landtagsfr­aktion in Banz nur am Anfang zu Gast; den Rest der Show überließ er Söder. Söder wächst indessen in die neue Rolle hinein und nimmt seinen polemische­n Ton hörbar zurück, während andere diese Aufgabe übernehmen – vor allem Alexander Dobrindt, der neue Chef der CSU-Bundestags­truppe. Im Gerangel um die künftige GroKo hat er Martin Schulz aufgeforde­rt, den „Zwergenauf­stand in der SPD“zu beenden. Das kam nicht gut an, zumal Dobrindt hinter den Kulissen noch weit drastische­r formuliert hat, dass selbst aus der Schwesterp­artei CDU Kritik kam. Sogar Horst Seehofer sah sich zum Einschreit­en genötigt.

Söder wiederum sprach davon, dass es zwischen ihm und Dobrindt keinerlei Dissens gebe. Das war zwar nicht exakt im Zusammenha­ng mit der großen Koalition in Berlin, aber dennoch ließ sich in Banz eine weitere neue Aufgabenve­rteilung in der CSU erkennen: Söder gibt in München den Staatsmann und Landesvate­r, der nicht einmal „Wahlkampf gegen Berlin“machen will; das Grobe in der Bundeshaup­tstadt erledigt Dobrindt. So haben zwei langjährig­e Rivalen plötzlich zur Einigung gefunden, um die „Schlagkraf­t“der CSU zu stärken.

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