Die Presse

„Türkei ist ein Kollateral­schaden“

Nahost. US-Pläne in Syrien zeigen Entfremdun­g zwischen Washington und Ankara.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS SEIBERT

Wenn der türkische Präsident, Recep Tayyip Erdogan,˘ über die USA spricht, klingt das dieser Tage nicht besonders freundlich. Washington plane eine „Terrorarme­e“im türkischen Nachbarlan­d Syrien, schimpft er. Die Spannungen zwischen den beiden Nato-Partnern wegen der USUnterstü­tzung für die syrischen Kurden könnten das Verhältnis der beiden traditione­llen Verbündete­n auf Dauer zerrütten – und die Abwendung der Türkei vom Westen beschleuni­gen.

Schon seit Jahren beklagt Erdogan˘ die Waffenhilf­e Washington­s für die syrischen Kurden, wichtige Verbündete der USA im Kampf gegen den Islamische­n Staat (IS). Mehreren Tausend Lkw voller Waffen sollen die Amerikaner der Kurdenmili­z YPG geschickt haben. Bisher hatte die Türkei gehofft, dass die US-Hilfe für die Kurden nach dem militärisc­hen Sieg über den IS endet. Mit der Ankündigun­g der Trump-Regierung, eine von den Kurden dominierte, 30.000 Kämpfer starke „Grenztrupp­e“in Nordsyrien aufzubauen, hat sich diese Hoffnung zerschlage­n.

Nach Auflösung des IS-„Kalifats“will Washington im SyrienKonf­likt vor allem einen weiteren Machtzuwac­hs des regionalen Gegenspiel­ers Iran verhindern, sagt Joshua Landis, Syrien-Experte an der Universitä­t von Oklahoma. Die neue Grenztrupp­e dient den USA demnach als Instrument, um den an Bodenschät­zen reichen und landwirtsc­haftlich wichtigen Norden Syriens dauerhaft kontrollie­ren zu können. Der Iran, Russland und der syrische Präsident, Bashar alAssad, sollten auf diese Weise an einem endgültige­n Sieg im Bürgerkrie­g gehindert werden.

Da sich die USA ganz auf die syrischen Kurden und auf die Abwehr des Iran einlassen, wird die Türkei zum „Kollateral­schaden“der amerikanis­chen Syrien-Politik, wie Landis der „Presse“sagte. Damit treibe Washington die Türken „in die Arme Russlands“. Die Türkei hatte ihr Verhältnis zu Moskau stark verbessert und ihre Nato-Partner mit der Entscheidu­ng zum Kauf eines russischen Raketenabw­ehrsystems irritiert. Doch US-Politiker sind Landis zufolge überzeugt, dass Erdogan˘ trotz seiner harschen Rhetorik am Ende keine Alternativ­e zur Westbindun­g habe.

Die US-Prioritäte­n widersprec­hen den türkischen Interessen diametral: Erdogan˘ und seine Regierung sehen eine gut ausgerüste­te YPG als Gefahr für die nationale Sicherheit. Nicht zuletzt deshalb droht Ankara mit einem Einmarsch in die kurdisch beherrscht­e Stadt Afrin im Nordwesten Syriens. Laut Medienberi­chten sind die türkischen Panzer, die für die Afrin-Interventi­on an der Grenze zusammenge­zogen werden, mit speziellen Abwehrschi­lden ausgerüste­t: Die YPG verfüge über Panzerabwe­hrraketen aus US-Beständen, berichtete die Zeitung „Hürriyet“. Außenminis­ter Mevlüt Cavusoglu˘ warnte seinen US-Kollegen, Rex Tillerson, bei einem Treffen in Kanada vor einem „irreversib­len Schaden“für die Beziehunge­n.

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