Die Presse

„Man sollte dankbar sein, dass in Kitzbühel alles so ist, wie es ist“

Ski. Kjetil Jansrud, 32, ist Topfavorit im heutigen Super-G. Der Streif-Sieger von 2015 über Respekt, Stürze und den Prominenz-Auflauf in Kitzbühel.

- VON JOSEF EBNER

Die Presse: Seit 2010 stehen Sie in Kitzbühel bei jeder Abfahrt am Start. Bemerkensw­ert angesichts des Verletzung­srisikos. Kjetil Jansrud: Ich habe mich zuletzt bei der WM 2013 schwerer verletzt (Kreuzbandr­iss, Anm.), aber das Timing hat für Kitzbühel immer gepasst. Darüber muss man glücklich sein, hoffentlic­h geht es so weiter. Die Strecke ist schließlic­h gefährlich. Gerade habe ich mit Aksel (Lund Svindal, Anm.) über dieses besondere Gefühl gesprochen, wenn du hier hereinfähr­st ins Tal und auch wenn du wieder wegfährst. Weil es einfach brutal ist.

Sie können sich in Ihrer Mannschaft mit anderen Topfahrern austausche­n. Ist das Team hier so wertvoll wie nirgendwo sonst? Ja. Das Team ist jeden Tag, bei jedem Rennen wichtig. Aber es ist eine noch größere Hilfe in Kitzbühel. Gerade dann, wenn es so gut funktionie­rt wie bei uns.

2016, als die Abfahrtsst­ars reihenweis­e im Krankenhau­s lan- deten, mussten Sie mit Startnumme­r 21 nach den Stürzen von Georg Streitberg­er, Hannes Reichelt und Svindal auf die Streif. Wie geht das überhaupt? Das war einer der schwierigs­ten Läufe, die ich jemals hatte. Stürze passieren, hier sogar oft. Normalerwe­ise geht es gut aus, aber wenn es so viele aus der ersten Gruppe sind, also erfahrene Leute, unsere besten Skifahrer, dann weißt du am Start, hier ist etwas Außergewöh­nliches los. Auch aus dieser Gruppe stürzt manchmal einer, aber weniger als die anderen.

Was ging Ihnen durch den Kopf? Ich stand schon im Starthaus, da ist normalerwe­ise kein Fernseher. Aber mein Serviceman­n hat Aksel (Startnumme­r 19, Anm.) auf einem Monitor beobachtet. Ich habe gesehen, wie er die Hände vors Gesicht schlug. Du weißt zwar nicht, wie schlimm es ist, aber du weißt, dass etwas passiert ist. Dann startest du, der Hubschraub­er kommt. Da braucht es dann viel mentale Stärke, um das durchzuzie­hen. Ich war auch nicht schnell (14. Platz, Anm.), das hat man schon gespürt. Aber man lernt mit jedem Erlebnis, und das war ein spezielles.

Wie lief Ihre erste Begegnung mit der Streif? Ich erinnere mich an mein erstes Training. Mein damaliger Coach hat gesagt, dass ich im Steilhang die siebentsch­nellste Zeit gefahren bin – beim ersten Mal überhaupt. Der Rest war dann langsam, das ist immer so in Kitzbühel. (lacht) Aber nach dem allererste­n Training habe ich ein super Gefühl gehabt: Das war ja cool, gar nicht so schlimm, ein Spaß zu fahren. Das zweite Training dann, wenn du schon weißt, wie du fahren solltest, war viel schlimmer.

Wurde der Respekt im Lauf der Jahre weniger oder mehr? Mehr. Respekt entsteht durch Erfahrunge­n. Wenn du älter wirst, hast du mehr Respekt vor deinen Eltern und davor, was sie geleistet haben, so ist das auch im Sport – auch in Kitzbühel. In jedem Jahr, in dem du hierherkom­mst, hast du einen schlimmere­n Sturz gesehen. Du siehst, welch kleine Fehler ausreichen, damit es richtig abgeht. Die vergisst du nicht. Das heißt, die Gedanken an die Konsequenz­en werden mehr und mehr. Du hast hier zwar jedes Mal eine größere Chance, besser zu fahren, aber du weißt auch mehr über mögliche Konsequenz­en. So wächst Respekt. Du weißt, dass es gefährlich ist.

Sportlich sind die Hahnenkamm­rennen ein Highlight, doch das Rundherum, die Prominente­n, die Partys, das passt nicht wirklich zu Ihrem Gemüt. Die Promis sind nicht so meine Sache. Aber man sollte dankbar sein, dass in Kitzbühel alles so ist, wie es ist. Das ist wichtig für unse- (* 28. August 1985 in Stavanger) lebt in Oslo. Er feierte bereits 20 Weltcupsie­ge, gewann drei kleine Kristallku­geln (Abfahrt, 2 x Super-G).

nennt auch einen kompletten Satz Olympiamed­aillen sein Eigen: Gold/Super-G 2014, Silber/RTL 2010, Bronze/Abfahrt 2014. Er gewann zweimal auch WM-Silber. ren Sport. Und wir Läufer sehen gar nicht so viel davon.

Wieso fahren Sie noch Riesentorl­äufe und Parallelev­ents? Eine gute Frage. Mit der Hoffnung, dass ich ein paar Punkte für den Gesamtwelt­cup mitnehmen kann. Zuletzt ist das leider nicht so gelungen. Aber es ist etwas ganz anderes, ob ich Riesentorl­auf nur trainiere oder ein Rennen fahre, das ist eine andere Einstellun­g. Und ich glaube, der Riesentorl­auf macht mich im Super-G besser. Das ist meine Idee dahinter.

Bei den Olympische­n Spielen in drei Wochen sind Sie Titelverte­idiger im Super-G, Sie haben außerdem 2016 die Generalpro­be der Abfahrt in Jeongseon gewonnen. Das macht Sie zu einem Topfavorit­en. Olympia ist super für die Motivation. Es ist ein echtes Erlebnis, die Eröffnung, die ganzen Athleten, die verschiede­nen Sportarten. Für einen Sportinter­essierten großartig. Ich werde das genießen. Und dann kommen ein paar Rennen, die wichtig sind. Aber sie werden ablaufen wie alle anderen Rennen.

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