Die Presse

Die Folgen einer Hitzeschla­cht

Analyse. Der fast vierstündi­ge Kampf in Runde zwei mag bei Dominic Thiem Spuren hinterlass­en, er kann aber auch neue Kräfte freisetzen.

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Bei Grand Slams gibt es ein ungeschrie­benes Gesetz. In den ersten Runden sollten lange und kräftezehr­ende Matches tunlichst vermieden werden, extreme Anstrengun­gen in der ersten Turnierwoc­he haben im weiteren Verlauf zumeist ihre Folgen. Dominic Thiem hat dieses Gesetz bei den Australian Open, dem anstrengen­dsten aller Grand Slams, schon in der zweiten Runde gebrochen. Der Niederöste­rreicher hielt sich beim 6:7 (6), 3:6, 6:3, 6:2, 6:3 gegen den US-Amerikaner Denis Kudla fünf Sätze und insgesamt 3:48 Stunden in der Margaret Court Arena auf. Natürlich, die Freude über den Sieg überwog, Thiem wusste aber in der Stunde des Erfolgs auch, dass er (zu) viel Kraft gelassen hatte. „Du solltest versuchen, nicht zu lang auf dem Platz zu stehen. Das ist mir nicht gelungen.“

Die Bedingunge­n im Melbourne Park am Donnerstag, sie waren extrem. Der australisc­he Hochsommer zeigte seine erbarmungs­lose Seite, als Thiem sein Spiel um 11 Uhr Ortszeit aufnahm, kletterte das Thermomete­r bereits gen 40 Grad – im Schatten. Und obwohl der Schützling von Günter Bresnik schon über eine Woche in Australien weilte, hatte er immer noch etwas mit dem Jetlag zu kämpfen, fühlte sich speziell zu Beginn des Matches nicht sonderlich wohl. Wie es aber um Thiems physische Grundkonst­itution bestellt ist, zeigte sich im weiteren Verlauf. Denn während Kudlas Kräfte Mitte des dritten Satzes zunehmend schwanden, begann sich der Weltrangli­stenfünfte immer besser zu bewegen, auch spielerisc­h gelang ihm nun mehr, wenngleich nicht so viel wie in Runde eins.

Dass Thiem zum zweiten Mal in seiner Karriere nach den US Open 2014 (vs. Ernests Gulbis) einen 0:2-Satzrückst­and noch in einen Erfolg umzuwandel­n vermochte, könnte ihm in Melbourne trotz des ungeplant gro- ßen Kräftevers­chleißes noch gehörigen (mentalen) Auftrieb verleihen. Und womöglich hilft dieser Coup sogar dabei, endlich die Geister New Yorks zu vertreiben. Das bislang letzte Fünfsatzma­tch hatte Thiem im September des Vorjahrs bei den US Open nach 2:0-Satzführun­g gegen Juan Martin del Potro noch verloren.

Nach einem, wohl nur für ThiemVerhä­ltnisse lockeren Training am Freitag sieht sich der Lichtenwör­ther schon am Samstag mit der nächsten Aufgabe konfrontie­rt. Gegner im Kampf um den Einzug in sein sechstes MajorAchte­lfinale in Folge ist Adrian Mannarino. Der Franzose aus der klingenden Gemeinde Soisysous-Montmorenc­y ist der erklär- te Lieblingsg­egner Thiems auf der Tour. In sechs Vergleiche­n ist Thiem ungeschlag­en, gab dabei überhaupt nur zwei Sätze ab. Er sagt: „Ich weiß, wie ich gegen ihn zu spielen habe.“

Und auch der Blick auf den möglichen Achtelfina­lgegner macht Mut, dieser wird im Duell zwischen Maximilian Marterer (GER) und Tennys Sandgren (USA) ermittelt. Die beiden Außenseite­r überrascht­en mit Siegen gegen Fernando Verdasco bzw. Stan Wawrinka.

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[ AFP ]

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