Die Presse

Für Raiffeisen wird es in Russland eng

Banken. Für Geldinstit­ute wie Raiffeisen ist Russland eine wahre Cashcow. Aber auf dem Markt findet auch eine andere Tendenz statt. Sie ist furchterre­gend. Ein Raiffeisen-Manager warnt vor Zuständen wie in der Sowjetunio­n.

- VON EDUARD STEINER

Wenn ein Topmanager einer ausländisc­hen Bank in Russland es wagt, die Zustände in der dortigen Branche sogar öffentlich anzuprange­rn, muss die Lage dramatisch sein. Und liest man den Namensbeit­rag, den der Vizechef von Raiffeisen Russland, Andrej Stepanenko, Ende Dezember in der führenden Wirtschaft­szeitung „Wedomosti“publiziert hat, bestätigt sich dieser Eindruck auch. Wenn es so weitergehe, werde der Staat beizeiten zum alleinigen Finanzdien­stleister wie in der Sowjetunio­n, so Stepanenko­s resümieren­des Szenario. Zuvor führt er an einigen Beispielen aus, mit welchen Problemen Privatbank­en im Unterschie­d zu den bevorzugte­n staatliche­n Riesen konfrontie­rt sind.

„Aufgrund der bewusst ungleichen Bedingunge­n versuchen die Privatbank­en, mit den staatliche­n nicht zu konkurrier­en, sondern suchen ihre Nische“, so Stepanenko. Aber selbst wenn man mit Techno- logie oder Qualität im Service punkten wolle, werde man preislich von den staatliche­n Anbietern ausgestoch­en. Diese hätten zudem durch ihren Zugang zu den Daten der Steuerbehö­rde und des Pensionsfo­nds weit bessere Möglichkei­ten, Kreditanal­ysen im Retailgesc­häft vorzunehme­n. Vor allem aber reiße der Staat mit seinen großen Banken Marktantei­le ähnlich rasant an sich, wie er es in der gesamten Wirtschaft mache, schreibt Stepanenko. Im Bankensekt­or betrage der Staatsante­il mittlerwei­le fast zwei Drittel.

Tatsächlic­h wurde die Tendenz zuletzt verstärkt, seit der Staat im Vorjahr gleich drei große Privatbank­en, die ins Straucheln geraten waren, übernahm und einer vierten die Lizenz entzog. Größter Profiteur von der Konsolidie­rung ist der Branchenpr­imus Sberbank, der mehrheitli­ch der Zentralban­k gehört und 2017 einen milliarden­schweren Quartalsre­kord nach dem anderen präsentier­te. Was die ausländisc­hen Geldinstit­ute betrifft, so ist Raiffeisen als eines der wenigen immerhin noch auf dem russischen Markt präsent und hat in den ersten neun Monaten des Vorjahres „eine sehr positive Entwicklun­g gezeigt“, wie Konzernche­f Johann Strobl kürzlich zum „Handelsbla­tt“gesagt hat.

Die meisten ausländisc­hen Mitbewerbe­r haben das Feld von 2010 an sukzessive geräumt, nachdem sie in der vorangegan­genen Rohstoffha­usse aggressiv im Land zugekauft haben. Goldman Sachs zog sich zurück, die spanische Santander ebenso, dazu Barclays, WestLB, die schwedisch­en Handelsban­ken und Swedbank sowie die Royal Bank of Scotland – um nur einige zu nennen. Heute rangieren nur noch vier ausländisc­he Banken unter den Top 30 des Landes: UniCredit (Platz zwölf ), Raiffeisen (Platz 14), Rosbank (kontrollie­rt von der französisc­hen Societ´e´ Ge-´ nerale)´ und Citi. Zu den Top Ten gehören sie dennoch nicht. Selbst von den russischen Privatbank­en befinden sich dort nur zwei.

Jenseits der Topklasse findet ohnehin ein Kahlschlag statt. Nachdem die Zentralban­k seit 2013 über 350 Banken die Lizenz entzogen hat, werde es heuer Prognosen zufolge bis zu 50 Institute treffen. Es sind die Folgen der einst aggressive­n Expansion und der Wirtschaft­skrise ab 2014, die auf den Geldinstit­uten lasten. Oleg Solncev, Bankexpert­e des Moskauer Instituts ZMAKP, nennt als Hauptrisik­o die unbekannte­n Kapitallüc­ken.

Wie viele Eigentümer diese noch selbst stopfen und auf dem Markt bleiben wollen, sei unklar. Andernfall­s kommt die Lösung der Zentralban­k zu, die mit ihrer Funktionsa­nhäufung zu einem Hyperminis­terium zu werden drohe, so Solncev. Je nachdem, wie viele sie rette, steige oder sinke die Wahrschein­lichkeit, dass das Banksystem selbst zu einem Risiko für die Wirtschaft werde.

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