Wie die Budgetpolitik den Boom verschläft
Staatshaushalt. Für die bisherigen Budgetpläne der neuen Regierung ist „unambitioniert“noch ein Euphemismus. Wann, wenn nicht jetzt, auf dem Höhepunkt des laufenden Konjunkturzyklus, soll der Staatshaushalt denn ausgeglichen werden?
EIIIr peile, sagte der neue Finanzminister, für heuer kein Nulldefizit mehr an. Vielleicht „in zwei, drei Jahren“könnte es dann allerdings so weit sein, dass der Staat erstmals seit 1962 mit seinen laufenden Einnahmen auch auskommt. Das sei, meinte der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts im TV ergänzend, ein Ziel, das durchaus realistisch sei. Heuer werde man das angepeilte Ziel eines strukturellen, also um Konjunktureffekte bereinigten Defizits von 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts wohl schaffen. Aber ein paar Milliarden fehlen da leider noch immer in der Staatskasse.
Und wir sagen: Geht es noch ein bisschen unambitionierter? Zur Zeit, als dieses Ziel eines ausgeglichenen Staatshaushalts bis 2020 formuliert wurde, gingen die Wirtschaftsforscher für 2017 von kümmerlichen 1,5 Prozent Wirtschaftswachstum (real) aus. Durch den überraschenden weltwirtschaftlichen Aufschwung des vergangenen Herbstes wuchs das Austro-BIP aber genau doppelt so stark. Und auf dem üppigen Niveau von drei Prozent wird das Wachstum auch heuer bleiben – bevor es dann voraussichtlich wieder bergab geht.
Wann, wenn nicht auf dem Höhepunkt des laufenden Konjunkturzyklus, soll denn der Staatshaushalt ausgeglichen werden? Die Situation sieht jedenfalls so aus:
Die Staatseinnahmen sprudeln wie schon lange nicht. In den ersten elf Monaten 2017 (Jahresendwerte liegen öffentlich noch nicht vor) sind die Einnahmen des Bundes um fast fünf Prozent gestiegen. Am Ende des Jahres hat der Finanzminister wohl deutlich mehr als vier Mrd. Euro mehr in der Kassa gehabt als im Jahr davor. Und wohl auch mehr als eine satte Milliarde mehr, als im Budgetvoranschlag steht. Auch heuer werden die Einnahmen viel stärker sprudeln, als ursprünglich geplant.
Die Konjunktur hat die Arbeitslosenrate reduziert, was höhere Sozialbeiträge bringt und gleichzeitig die Ausgaben für Arbeitslosengeld verringert. Die anhaltende Nullzinspolitik der EZB reduziert die Zinszahlungen der Republik dramatisch. Innerhalb von ein paar Jahren sind diese Zahlungen um mehrere Milliarden Euro im Jahr gesunken. Trotz dieser für jeden Finanzminister eigentlich paradiesischen Zustände sind die Ausgaben des Staates auch 2017 deutlich schneller gewachsen als die Einnahmen. Und sie werden das auch heuer tun.
In so einer Situation sagt Finanzminister Löger, ein Nulldefizit werde sich „in zwei oder drei Jahren“ausgehen. Also dann, wenn wahrscheinlich die Konjunktur wieder nachlässt und die Zinsen steigen.
Das ist, man muss es leider so eindeutig sagen, eine budgetpolitische Bankrotterklärung. Wenn die Regierung wollte (der Finanzminister allein kann da ja wenig ausrichten, aber er könnte wenigstens ambitionierte Ziele vorgeben), könnte sie in dieser paradiesischen Situation den Staatshaushalt praktisch aus dem Stand ins Plus drehen – und damit Reserven für den unweigerlich wieder kommenden Abschwung schaffen. Sie müsste nur die von Bundeskanzler Kurz im Wahlkampf versprochene Ausgabenbremse sofort anziehen. Die sieht ja, so wurde uns erzählt, vor, dass der Anstieg der Staatsausgaben eine Zeit lang mit der Inflationsrate gedeckelt wird. Das wäre noch nicht einmal echtes „Sparen“, denn real würden die Staatsausgaben ja nur auf dem erreichten hohen Niveau (in Relation zum BIP das Fünfthöchste in Europa) eingefroren werden.
Spielen wir das einmal für 2017 durch: In diesem Jahr wäre die Steigerung der Staatsausgaben mit 2,1 Prozent begrenzt gewesen. Bei Einnahmensteigerungen von fast fünf Prozent wäre nicht nur das Wort „Defizit“aus dem budgetpolitischen Wortschatz verschwunden, es wäre auch noch ein Überschuss von gut zwei Mrd. Euro übrig geblieben. Wie gesagt: ohne irgend- etwas zu kürzen. Die Ausgaben wären nur real nicht mehr gestiegen. Budgetsanierung ist also gar nicht so schwer, wenn man wirklich will.
Für 2017 kann die aktuelle Regierung natürlich nichts. Für 2018 ff aber schon. Da haben wir eine ähnliche Situation mit hohem BIP-Wachstum bei Niedrigzinsen. Und niemand hindert die Regierung daran, ihr Versprechen einer Deckelung der Ausgaben mit der Inflationsrate schon beim angekündigten Doppelbudget 2018/19 wirksam werden zu lassen. Außer natürlich die politische Realität des Wasserpredigens und Weinsaufens: Die „Einsparungen“von 2,4 Mrd. Euro, die der Finanzminister für das Doppelbudget angekündigt hat, verbessern die Budgetlage insgesamt ja nicht, sondern kompensieren nur die von der alten Regierung noch schnell vor dem Abgang und von der neuen Regierung unmittelbar nach dem Amtsantritt beschlossenen zusätzlichen Ausgaben in diesen beiden Jahren. Das ist, muss man schon sagen, Budgetpolitik uralt und hat mit der Ankündigung einer neuen Art des Regierens rein gar nichts gemein.
Deshalb: Bitte Anleihen bei der Schweiz und Schweden nehmen (dort ist das ausgeglichene Budget über den Konjunkturzyklus Gesetz) und die Sanierung dann angehen, wenn sie Sinn hat. Nämlich auf dem Höhepunkt des Konjunkturzyklus, wo sich das Budget bei ein bisschen Ausgabendisziplin ohne Leistungskürzungen selbst saniert.
„Speed kills“, das Motto von SchwarzBlau I, ist nicht immer die beste Methode. Aber gemütlich abwarten und Tee trinken, bis die verschlechterten Rahmenbedingungen und nahende Wahltermine Reformen wieder unmöglich machen, noch viel weniger.