Die Presse

Nur wir haben keine Namen für Gerüche

Jäger und Sammler in Südostasie­n können exakt benennen, was in ihre feinen Nasen gerät.

- VON JÜRGEN LANGENBACH

Wie sieht das aus, was Sie gerade in den Händen halten, und wie riecht es? Na ja, es hat viele Farben, vor allem Schwarz und Weiß, und die Bilder sind auch rot und grün etc. Aber der Geruch? Am ehesten riecht es „nach Druckersch­wärze“, so wie der Kaffee, den Sie vielleicht zur Lektüre trinken, eben „nach Kaffee“riecht: Gerüchen stehen wir sprachlos gegenüber, wir haben keine Namen für sie.

Das kann daran liegen, dass unsere Ahnen den Geruchssin­n zurückgefa­hren haben, als sie sich von allen vieren erhoben haben. Nun war die Nase nicht länger am Boden mit seinen lockenden, drohenden Dünsten, dafür konnte der Blick weit schweifen: So wurden 60 Prozent der Gene der Geruchsrez­eptoren stillgeste­llt, und beim Gehirn nimmt die zuständige Region 0,01 Prozent ein, bei Mäusen sind es zwei. Da wundert es wenig, dass wir für Gerüche keine Namen haben.

Es gibt aber auch Menschen, die Gerüche präzise benennen, man bemerkte es an Jahai, Jägern und Sammlern in Südostasie­n. Ihre Besonderhe­it kann viele Gründe haben, sie kann etwa von ihrer Sprache kommen oder von ihrer Umwelt oder von ihrer Lebensweis­e. Zur Klärung hat Asifa Majid (Nijmwegen) zwei anderen Ethnien der Region Farbmuster und Duftproben vorgelegt. Die einen, die Beri, sind Jäger und Sammler, die anderen, die Semela, sind sesshaft, pflanzen kleinfläch­ig Reis an und betreiben Hortikultu­r. Beide haben eng verwandte Sprachen, beide leben überwiegen­d im Wald.

Den Semela geht es wie uns: Sie können Gerüche nur umschreibe­n. Anders die Beni: Sie haben individuel­le Namen für das, was in ihre feinen Nasen gerät, sie haben auch Kategorien für Duftgruppe­n. Und sie haben Gerüche in ihre Kultur integriert: Für sie hat jedes ihrer Mitglieder einen eigenen Geruch, dieser darf sich nicht unangemess­en mit dem eines anderen mischen: Schwester und Bruder etwa dürfen nicht zu nahe beieinande­r sitzen, das wäre Inzucht (Current Biology, 18. 1.).

„Der Geruchssin­n von Jägern und Sammlern ist dem von Sesshaften überlegen“, schließt Asifa, die im nächsten Schritt in einem breiten Vergleich von Jägern und Sammlern klären will, was an dieser Lebensweis­e den Sinn so schärft, dass er nach Worten ruft.

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