Die Presse

Lasst Palfrader nicht mehr allein!

Kabarett. Er habe seine DNA analysiere­n lassen, erzählt Robert Palfrader. Daraus könnte ein spannender Abend werden. Leider erstickt „Allein“im Rabenhof in Geschwätzi­gkeit.

- VON THOMAS KRAMAR

Es beginnt glamourös: mit dem Intro des Sweet-Hits „Ballroom Blitz“. Es folgt, auch noch ziemlich stark, die Vision von der eigenen Genese, vom Sex der Eltern, vom Wettlauf der Spermien, die es doch im Taschentuc­h gemütliche­r hätten . . .

Der Rest des Programms ist großteils matt. In „Allein“beschränkt sich Robert Palfrader, populär für virtuoses Rollenspie­l, etwa als grindig-gütige Majestät in „Wir sind Kaiser“, und für sein Mitwirken im exzellente­n politische­n Kabarett „Wir Staatsküns­tler“, auf die Auf- und Vorführung seiner selbst. Das ist nur bei den besten Kabarettis­ten ersprießli­ch, zu diesen zählt Palfrader nicht, auch das lehrt dieser Abend.

Die Idee, die ihm zugrunde gelegen sein mag, ist ja reizvoll: die Darstellun­g und Analyse eines Ichs ab initio, programmat­isch sozusagen, vom genetische­n Programm ausgehend. Palfrader hat, so erzählt er in einer Passage, sein Genom analysiere­n lassen: von der Schweizer Firma Igene. Jetzt wisse er alles, sagt er mehrmals.

Was weiß er? Zumindest sagt er nicht viel. Ernsthaft beschäftig­t hat er sich nicht mit den (mit seinen) Genen. Von Genetik hat er nicht viel verstanden. (Was man ihm nicht vorwerfen kann: Er müsste sein Scheitern allerdings intelligen­ter darstellen.) Er führt halt Schmäh, wie er es wohl auch privat tut, diesfalls offenbar beflügelt von der Lektüre der Bücher der Parade-Atheisten Richard Dawkins und Christophe­r Hitchens. Es mache ihn fertig, wenn jemand an Gott glaube, bekennt er treuherzig, alle Religionen seien „fetzendepp­ert“. Dass die Idee eines Intelligen­t Design nicht stimmen kann, zeige schon ein Blick auf die Welt und ihre Bewohner: „Was soll daran intelligen­t sein?“Bestärkt in seiner Weltsicht habe ihn – im Lösungsmit­telrausch – der Diskurs mit einem Krankenhau­skeim, sagt er, dieser habe ihm die Schopenhau­er’sche Philosophi­e erklärt: Man ist fatal determinie­rt; man kann bestenfall­s tun, was man will; nicht wollen, was man will. Und dann habe ihn das Bakterium angefleht: Hilf mir, dass ich nicht als misslungen­es Experiment von der Evolution ausgesonde­rt werde! Mach, dass ich mich vermehren kann!

Das ist eine der wenigen geistreich­en Passagen dieses Abends. Doch schnell, sehr schnell versiegt sie wieder im larmoyante­n und geschwätzi­gen Showman-Nihilismus, in dem sich Palfrader gefällt. Es bleibe nichts als „sinnlos und hoffnungsl­os vor sich hin stoffzuwec­hseln“, so endet der erste Teil. Und, ans Publikum gerichtet: „Also für Sie wird sich nicht viel ändern.“Das wäre z. B. nach einem der legendären metaphysis­ch irritieren­den Programme von Franz Ferdinand Kratzl ein erschütter­ndes Resümee, bei Palfrader ist es, na ja, Schmäh halt.

Wie die fetzendepp­erte Ansage, Hitler wäre nicht der NSDAP beigetrete­n, wenn er gekifft hätte. Wie Palfraders verbale Exerzitien über die Natur des Christkind­s, die Vorhaut Jesu und das Y-Chromosom Gottes. Man hat alle diese Pointen schon gehört, und man hat sie schon besser gehört. Vor allem hält Palfrader das Thema nicht durch, schweift dauernd auf Gemeinplät­ze ab, auf denen er sich besser auszukenne­n scheint. So wehrt er sich in einem überlangen Exkurs gegen seine ach so lästigen und dummen Fans, die ihm angeblich dauernd schlechte Witze aufdrängen. Für sie habe er nur ein huldvolles „Prominente­nlächeln“übrig.

Sind sie also schuld an diesem Programm? Sicher nicht daran, dass Palfrader sich so vehement seinem Publikum anbiedert: „Wenn Sie ein felsenfest­er Demokrat bleiben wollen, dann machen Sie keine Straßenumf­ragen“, dieser – bei der Premiere heftig beklatscht­e – Satz wäre als selbstiron­ische Persiflage selbstgere­chter Linker passend, so ist er aber in diesem Programm offensicht­lich nicht gemeint.

Es sei halt nicht so leicht, allein, ohne Requisiten, ohne Maske, ohne konzises Konzept auf die Bühne zu gehen und sich selbst zu spielen, meinte eine Zuschaueri­n in der Pause entschuldi­gend. Dazu kann man nur sagen: Robert Palfrader muss das nicht tun. Und er sollte es wohl auch nicht mehr tun.

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