Lasst Palfrader nicht mehr allein!
Kabarett. Er habe seine DNA analysieren lassen, erzählt Robert Palfrader. Daraus könnte ein spannender Abend werden. Leider erstickt „Allein“im Rabenhof in Geschwätzigkeit.
Es beginnt glamourös: mit dem Intro des Sweet-Hits „Ballroom Blitz“. Es folgt, auch noch ziemlich stark, die Vision von der eigenen Genese, vom Sex der Eltern, vom Wettlauf der Spermien, die es doch im Taschentuch gemütlicher hätten . . .
Der Rest des Programms ist großteils matt. In „Allein“beschränkt sich Robert Palfrader, populär für virtuoses Rollenspiel, etwa als grindig-gütige Majestät in „Wir sind Kaiser“, und für sein Mitwirken im exzellenten politischen Kabarett „Wir Staatskünstler“, auf die Auf- und Vorführung seiner selbst. Das ist nur bei den besten Kabarettisten ersprießlich, zu diesen zählt Palfrader nicht, auch das lehrt dieser Abend.
Die Idee, die ihm zugrunde gelegen sein mag, ist ja reizvoll: die Darstellung und Analyse eines Ichs ab initio, programmatisch sozusagen, vom genetischen Programm ausgehend. Palfrader hat, so erzählt er in einer Passage, sein Genom analysieren lassen: von der Schweizer Firma Igene. Jetzt wisse er alles, sagt er mehrmals.
Was weiß er? Zumindest sagt er nicht viel. Ernsthaft beschäftigt hat er sich nicht mit den (mit seinen) Genen. Von Genetik hat er nicht viel verstanden. (Was man ihm nicht vorwerfen kann: Er müsste sein Scheitern allerdings intelligenter darstellen.) Er führt halt Schmäh, wie er es wohl auch privat tut, diesfalls offenbar beflügelt von der Lektüre der Bücher der Parade-Atheisten Richard Dawkins und Christopher Hitchens. Es mache ihn fertig, wenn jemand an Gott glaube, bekennt er treuherzig, alle Religionen seien „fetzendeppert“. Dass die Idee eines Intelligent Design nicht stimmen kann, zeige schon ein Blick auf die Welt und ihre Bewohner: „Was soll daran intelligent sein?“Bestärkt in seiner Weltsicht habe ihn – im Lösungsmittelrausch – der Diskurs mit einem Krankenhauskeim, sagt er, dieser habe ihm die Schopenhauer’sche Philosophie erklärt: Man ist fatal determiniert; man kann bestenfalls tun, was man will; nicht wollen, was man will. Und dann habe ihn das Bakterium angefleht: Hilf mir, dass ich nicht als misslungenes Experiment von der Evolution ausgesondert werde! Mach, dass ich mich vermehren kann!
Das ist eine der wenigen geistreichen Passagen dieses Abends. Doch schnell, sehr schnell versiegt sie wieder im larmoyanten und geschwätzigen Showman-Nihilismus, in dem sich Palfrader gefällt. Es bleibe nichts als „sinnlos und hoffnungslos vor sich hin stoffzuwechseln“, so endet der erste Teil. Und, ans Publikum gerichtet: „Also für Sie wird sich nicht viel ändern.“Das wäre z. B. nach einem der legendären metaphysisch irritierenden Programme von Franz Ferdinand Kratzl ein erschütterndes Resümee, bei Palfrader ist es, na ja, Schmäh halt.
Wie die fetzendepperte Ansage, Hitler wäre nicht der NSDAP beigetreten, wenn er gekifft hätte. Wie Palfraders verbale Exerzitien über die Natur des Christkinds, die Vorhaut Jesu und das Y-Chromosom Gottes. Man hat alle diese Pointen schon gehört, und man hat sie schon besser gehört. Vor allem hält Palfrader das Thema nicht durch, schweift dauernd auf Gemeinplätze ab, auf denen er sich besser auszukennen scheint. So wehrt er sich in einem überlangen Exkurs gegen seine ach so lästigen und dummen Fans, die ihm angeblich dauernd schlechte Witze aufdrängen. Für sie habe er nur ein huldvolles „Prominentenlächeln“übrig.
Sind sie also schuld an diesem Programm? Sicher nicht daran, dass Palfrader sich so vehement seinem Publikum anbiedert: „Wenn Sie ein felsenfester Demokrat bleiben wollen, dann machen Sie keine Straßenumfragen“, dieser – bei der Premiere heftig beklatschte – Satz wäre als selbstironische Persiflage selbstgerechter Linker passend, so ist er aber in diesem Programm offensichtlich nicht gemeint.
Es sei halt nicht so leicht, allein, ohne Requisiten, ohne Maske, ohne konzises Konzept auf die Bühne zu gehen und sich selbst zu spielen, meinte eine Zuschauerin in der Pause entschuldigend. Dazu kann man nur sagen: Robert Palfrader muss das nicht tun. Und er sollte es wohl auch nicht mehr tun.