Wir sollten den Jänner mehr lieben
In
der Früh sahen einige Straßen aus wie Forstwege, so viele Tannennadeln lagen da. Es dürften noch viele ihre ausgedienten Christbäume zu den Sammelstellen geschleift haben. Achtlos aufeinandergeworfen harrten sie dort dann der Abholung durch die Müllabfuhr. Ein paar Lamettafäden gaben dem grünbraunen Haufen einen Hauch von Glitzer. Aber wenn die Christbaumabgabe schließt, ist es das Ende vom Fest, endgültig.
Das, was übrig bleibt, sieht immer ein wenig traurig aus. Von den Keksen, die man im Dezember so rationiert hat, dass es auch zu Weihnachten genug davon gibt, liegen noch ein paar in der Blechdose. Nun will sie keiner mehr. Sie schmecken gut, aber ihre Zeit ist vorbei. Der Weihnachtsmann, der auf Knopfdruck singen kann, steht verloren im Wohnzimmer herum; man sieht ihm an, dass er nicht zurück in den Keller will. Nie ist Weihnachten weiter weg als ein paar Wochen danach.
Kaum jemand liebt den Jänner. Er ist teuer, er ist kalt, er zwingt einen, zu reduzieren. Man hat sich zum Jahresende hin verausgabt, finanziell, emotional, kalorisch. Im Jänner werden die Wunden geleckt. Man isst Gemüsesuppe und träumt von Schweinsbraten. Schüler und Studenten haben eine Prüfung nach der anderen. Menschen, die mit Lernenden näher zu tun haben, versorgen sie bemüht gelassen mit Zuwendung und Zucker und zählen die Tage.
Man kauft Schnittlauch und klitzekleine Radieschen und verschenkt Tulpen. Sehnsuchtsware im Winter. Beim Schnittlauchschneiden, klassisch mit der Schere, wird es am Ende immer ungeschickt mit dem letzten Rest in der Hand. Man ärgert sich, nicht alles exakt hinzukriegen. Auch wenn es nur ein paar grüne Halme sind.
Diese trüben Tagen sollten eine neue Chance bekommen. Das ganze Jahr liegt doch noch so vollkommen vor einem. Es ist viel möglich, vielleicht geht sich einmal alles aus. Wenn wir den Jänner mehr lieben, dann beißt er vielleicht auch nicht zurück.