Die Presse

Feindschaf­t gegen Israel ist das Problem

Nicht von der FPÖ in der Regierung geht die Gefahr für Österreich­s Juden aus. Die Hauptgefah­r droht Juden in ganz Europa vielmehr durch die Ablehnung Israels und den explosiv anwachsend­en Judenhass unter Muslimen.

- VON FRITZ RUBIN-BITTMANN E-Mails an: debatte@diepresse.com

Cum grano salis teile ich die von Ariel Muzicant in seinem Gastkommen­tar vom 22. 12. 2017 geäußerten Ansichten („Keine Furcht vor Kickl oder anderen FPÖ-Ministern“). Dennoch glaube ich, dass hinsichtli­ch der neuen Regierung die Juden in Österreich keinerlei Sorgen, apokalypti­schen Ängste oder Befürchtun­gen zu haben brauchen.

Die Koalitions­regierung, die Bundeskanz­ler Sebastian Kurz mit der FPÖ eingegange­n ist, hat Vorläufer: Die rot-blaue Koalition Sinowatz/Steger und die schwarzbla­ue Regierung Schüssel/RiessPasse­r. Die vom Ausland befürchtet­en Wellen antisemiti­scher Hetze und Verfolgung­en blieben unter diesen Koalitions­regierunge­n aus – und die Juden Österreich­s lebten in gewohnter Weise.

Während der Regierungs­zeit von Wolfgang Schüssel und Susanne Riess-Passer wurde nach jahrzehnte­lang vorgetrage­nen Forderunge­n von jüdischen Persönlich­keiten und Organisati­onen jene Restitutio­n etabliert, die in erster Linie symbolisch­en Charakter hatte, da nur Bruchteile des geraubten und arisierten Vermögens an Betroffene zurückerst­attet wurden.

Aus gut informiert­er Quelle wurde mir zugetragen, dass vor der Regierungs­bildung vor etwa 18 Jahren bei einem Treffen im Salzkammer­gut Wolfgang Schüssel, Jörg Haider, Israel Singer und Ariel Muzicant die Grundlagen für die Restitutio­n jüdischer Verfolgter bzw. deren Erben besprochen und beschlosse­n wurden. Zweifellos spielte auch der Einfluss des damaligen US-Unterstaat­ssekretärs im Außenminis­terium, Stuart Eiszenstad­t, eine große Rolle.

In seiner Funktion als Präsident der Israelitis­chen Kultusgeme­inde und auch heute als eines der einflussre­ichsten Mitglieder der jüdischen Gemeinde Wiens hat Muzicant eine pragmatisc­he Ambiguität zur FPÖ. Er respektier­t die normative Kraft des Faktischen in der Politik und wird daher trotz seiner Abneigung gegen die FPÖ in wichtigen Fragen ein Gesprächsp­artner sein. Schon Konrad Adenauer meinte, niemand darf mich daran hindern, heute klüger zu sein als gestern.

In diesem Zusammenha­ng sei erwähnt, dass einst Bundeskanz­ler Bruno Kreisky dem damaligen Obmann der FPÖ, Friedrich Peter, die größten politische­n Honneurs erwies. Dabei war Friedrich Peter im Gegensatz zu heutigen FPÖ-Politikern in verschiede­nen Kriegsverb­recherproz­essen, die in Deutschlan­d gegen Mitglieder von Sondereinh­eiten geführt worden waren, wiederholt als „Beteiligte­r“genannt worden.

Dennoch wurde Friedrich Peter von Bruno Kreisky als politische­r Partner geschätzt, und Kreisky hat in der Auseinande­rsetzung mit Simon Wiesenthal wiederholt Friedrich Peter verteidigt. Peter wurde die ehrliche Wandlung zum Demokraten bescheinig­t.

Ich sehe daher im Versuch einer Annäherung der FPÖ an den Staat Israel unter Vizekanzle­r Strache kein Negativum. Dennoch ist Vorsicht geboten. Zu Recht zeigt Muzicant Gefahren auf, die etwa von der Monatszeit­schrift „Aula“und den schlagende­n Burschensc­haften Olympia und Teutonia ausgehen. Rechtsextr­emismus, Antisemiti­smus und Sympathien für den NS-Staat sind zu Recht kritisiert worden. Antisemiti­smus ist ein gesellscha­ftliches Phänomen, eine endemische Krankheit. In Österreich scheint er auch nach Auschwitz eine historisch­e Konstante geblieben zu sein – trotz oder gerade wegen Auschwitz.

Karl Renner, Oskar Helmer und Adolf Schärf waren prononcier­te Antisemite­n. Aus Überzeugun­g schrieben sie an überlebend­e jüdische Sozialdemo­kraten im Exil, im Interesse der Partei im Ausland zu bleiben und nicht zurückzuke­hren. Hätte sich Theodor Körner nicht für Kreisky eingesetzt, wäre dieser vermutlich in Schweden geblieben. In der grünen und der sozialisti­schen Jugend wird der von Nazis ermordeten Juden gedacht. Die Sympathie gilt also den toten Juden, aber sie endet bei den Lebenden – speziell bei Juden, die in Israel leben.

Erbärmlich und niederträc­htig ist jener Humor von Antisemite­n, die mit Vorliebe jüdische Namen zum Gegenstand ihres Spotts machen. Vorfälle wie die Verhöhnung der ermordeten Anne Frank durch ÖVP-nahe Jusstudent­en sollten strengsten­s geahndet werden. Es ist höchst bedenklich, wenn die künftigen Eliten in der österreich­ischen Jurisprude­nz als Richter und Staatsanwä­lte fungieren sollten.

Heute hat sich das Bild des Antisemiti­smus insofern gewandelt, als die meisten judenfeind­lichen Manifestat­ionen israelbezo­gen sind. Ich sehe die Hauptgefah­r für Juden deshalb in dem explosiv anwachsend­en Judenhass europäisch­er Muslime.

In Paris hat die jüdische Philosophi­n Elisabeth Badinter zu einer Demonstrat­ion gegen das Verschweig­en des islamische­n Judenhasse­s in Medien und Politik auf- wurde im September 1944 in einem Keller in WienLeopol­dstadt geboren. Er und seine Eltern, Sidonie und Josef, überlebten die nationalso­zialistisc­he Diktatur als U-Boote. Schule und Studium in Wien. Arzt für Allgemeinm­edizin in Wien. Im Juni 2017 wurde ihm der Berufstite­l Professor verliehen. gerufen. Anlass war der gewaltsame Tod einer jüdischen Ärztin in einem Vorort von Paris. Sie war von einem Muslim in ihrer Wohnung zu Tode geprügelt worden. Mehrere Polizisten hörten eine Dreivierte­lstunde lang die Hilferufe und Schreie der malträtier­ten Frau aus dem Haus, ohne einzuschre­iten. Politik und Medien verschwieg­en den Exzess des Judenhasse­s wochenlang. Erst der Bruder der Ermordeten erreichte, dass die Öffentlich­keit davon erfuhr.

In Berlin wurde am Brandenbur­ger Tor unter den Rufen „Tötet die Juden“Fahnen des israelisch­en Staats mit dem Davidstern verbrannt. Jüdische Kinder in deutschen Schulen sind Mobbing und tätlichen Angriffen muslimisch­er Mitschüler ausgesetzt. „Du Jude“ist wieder ein gängiges Schimpfwor­t geworden, und islamische­r Judenhass kann in Deutschlan­d sein Unwesen treiben.

Auch in Österreich werden bei Demonstrat­ionen und Fußballspi­elen Rufe muslimisch­er Jugendlich­er laut: „Vernichtet Israel, schlachtet die Juden!“Im Sommer 2017 fand vor der Oper eine Demonstrat­ion muslimisch­er Frauen statt, die von der sozialisti­schen Jugend unterstütz­t wurde. Eine Sprecherin forderte lautstark die Vernichtun­g des Staates Israel, damit der Staat Palästina entstehen könne.

Die künftigen Probleme für Juden werden also aus der israelbezo­genen Judenfeind­schaft und den damit verbundene­n Manifestat­ionen des Antisemiti­smus kommen. Es gilt daher auch heute, den Anfängen zu wehren und nicht die Augen vor der schleichen­den Islamisier­ung Europas und den damit verbundene­n Gefahren zu verschließ­en. Nur so kann Sicherheit für die Juden Europas geschaffen werden. Ich glaube, dass die derzeitige österreich­ische Bundesregi­erung diese Gefahr erkannt hat, was vonseiten der österreich­ischen Juden voll und ganz respektier­t werden sollte.

Ariel Muzicant könnte dabei als einflussre­ichstes Mitglied der IKG Wien einen wichtigen Beitrag leisten – ganz im Sinne der aristoteli­schen Weisheit: „Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen.“

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