Die Presse

„Die OMV ist mehr als Russland“

Interview. Der Sprung nach Sibirien ist geschafft, sagt Konzernche­f Rainer Seele. Jetzt nimmt er den Nahen Osten ins Visier. Seine Eigentümer warnt er: Die OMV sei keine Gelddruckm­aschine.

- VON MATTHIAS AUER UND EDUARD STEINER

Der Sprung nach Sibirien sei geschafft, sagt OMVChef Rainer Seele im „Presse“-Interview. Jetzt nimmt er den Nahen Osten ins Visier.

Was erwarten Sie als Chef eines teilstaatl­ichen Konzerns von der neuen Regierung? Die FPÖ gilt immerhin als russenfreu­ndlich. Rainer Seele: Als Unternehme­n, das sich weiter internatio­nalisieren will, sind Auslandsre­isen mit Regierungs­mitglieder­n für uns besonders wichtig. Da geht es aber nicht um die Einstellun­g zu Russland. Die OMV ist mehr als Russland. Die neue Strategie, die ich im März vorlegen werde, wird zeigen, dass es für uns noch viel mehr gibt.

Sie wollen die OMV künftig noch stärker in politisch instabile Regionen führen. Wohin genau? Die OMV kann es sich leider nicht aussuchen, wo sich Öl- und Gaslagerst­ätten befinden. Die größten Gasvorkomm­en sind in Russland, die größten Ölreserven im Nahen Osten. In Russland haben wir es geschafft, jetzt wollen wir im Nahen Osten Fuß fassen – vor allem im Petrochemi­ebereich. Das Thema Risiko sehe ich anders. Es geht dabei nicht nur um die Region. Wir planen einen stärkeren Ausgleich zwischen Exploratio­n und Raffinerie­geschäft. Das soll unser Stabilität­sanker werden.

Die wirtschaft­liche Logik hinter dem Engagement in Russland ist simpel: Es gibt viel Gas zu niedrigen Kosten. Umgekehrt müssen Sie das Gas zum russischen Preis verkaufen. Was kostet Sie das? Mit dem Einstieg ins Gasfeld Juschno Russkoje sind wir in Sibirien angekommen. Davor war die OMV in Russland nicht relevant. Mir ist es egal, wo das Gas verkauft wird. Entscheide­nd ist, dass das Methanmole­kül, sobald es Tageslicht sieht, in Euro konvertier­t wird. Dahinter steht eine Preisforme­l, wonach die Erlöse zur Hälfte aus dem deutschen und zur Hälfte aus dem russischen Gaspreis zusammenge­setzt werden. In Summe erwarten wir uns in den nächsten fünf Jahren davon je rund 200 Mio. Dollar Ertrag.

Gibt man das Gas im Inland also quasi gratis ab? Gazprom selbst verdient in Russland auch kaum. Bei der OMV gibt es nichts umsonst. Auch das Gas, das wir in Russland verkaufen, ist wirtschaft­lich tragfähig.

Der größere Part des RusslandPl­ans, das Tauschgesc­häft mit der Gazprom, steht noch aus. Wann wird es finalisier­t sein? Wir hatten den Abschluss immer Ende 2018 geplant. Nur zum Vergleich: Ähnliche Tauschtran­saktionen der Wintershal­l mit Gazprom haben fünf Jahre gedauert. Wir werden nach 3,5 Jahren fertig sein.

Aus der Branche hört man, dass die USA stark gegen das Geschäft intervenie­ren. Stimmt das? Das kann ich nicht bestätigen. Offensicht­lich ist die ablehnende Haltung der US-Regierung zu unserem Pipelinepr­ojekt Nordstream 2. Dahinter verbirgt sich das Interesse der Amerikaner, Flüssiggas­cargos in die EU zu verkaufen. Deshalb wollen sie keine neue Leitung aus Russland in die EU. Verbindung­en zum Assettausc­h sehe ich nicht.

Washington plant Sanktionen gegen Konzerne, die bestimmte Geschäfte mit Moskau machen. Wie sehr schadet das der OMV schon? Wir sehen eine Verunsiche­rung an den Kapitalmär­kten durch die Situation. Wir mussten daher die Finanzieru­ng der Nordstream 2 neu bewerten. Sie wird trotzdem kommen, aber mit anderen, wohl asiatische­n Banken. Wir als Investoren politisier­en das Projekt nicht, und ich würde auch davon abraten, das zu tun. Das Projekt ist rein wirtschaft­lich getrieben und dient Europas Versorgung­ssicherhei­t. Ich erwarte in nächster Zeit die Baugenehmi­gungen. Und wenn die da sind, wird das Rohr verlegt. Wir werden diese Pipeline bauen. Fühlen Sie sich von Europas Politik im Stich gelassen? Nein. Es geht nicht um Konzernint­eressen. Es geht darum, dass die transatlan­tische Partnersch­aft nicht funktionie­rt. Bis jetzt waren die Sanktionen gegen Moskau zwischen USA und EU abgestimmt. Anlass war der Konflikt in der Ukraine. Jetzt wird eine mögliche Beeinfluss­ung der US-Präsidents­chaftswahl als Grund hergenomme­n. Da kann ich Europapoli­tikern nur empfehlen, einen politisch erwachsene­n Weg zu wählen und nicht Vereinbaru­ngen von jenseits des Atlantiks zu kopieren.

Sie sind auch Chef der deutschen Außenhande­lskammer. Lobbyieren Sie schon für den Ausstieg aus den Sanktionen? In der Kammer stehen die Wirtschaft­sinteresse­n im Vordergrun­d. Die Botschaft dort lautet: Wir sind seit Jahren von Sanktionen belagert, die sich stark auswirken. Die Wirtschaft will eine Normalisie­rung der Beziehunge­n. Dafür mache auch ich mich stark. Wir brauchen eine Annäherung zu Russland, keine weitere Provokatio­n.

Also ein Ende der Sanktionen? Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass sich die Sicherheit­slage in der Ukraine nicht so gebessert hat, dass wir es Frieden nennen können. Wenn es da Fortschrit­te gibt, kann ZUR PERSON

Rainer Seele (*1960) kommt aus Bremerhave­n. 1987 startet der Chemiker seine Karriere beim deutschen Chemieries­en BASF. 1996 wechselt er zur BASFTochte­r Wintershal­l, die letzten Jahre als Chef. Wintershal­l kooperiert seit Jahren mit der russischen Gazprom. Seele ist auch Präsident der russisch-deutschen Außenhande­lskammer. 2015 übersiedel­t der dreifache Vater nach Wien und wird Generaldir­ektor der OMV, wo er viel in die engere Partnersch­aft mit Russland investiert. Im März will Rainer Seele der OMV eine neue Strategie verpassen. man an die schrittwei­se Rücknahme der Sanktionen denken.

In unserem letzten Interview sagten Sie, dass Sie viele neue Freunde im Iran hätten. Ist das nach den Unruhen immer noch so? Meine Priorität gilt der Freundscha­ft zu Abu Dhabi. Die geopolitis­che Situation rund um den Iran hat sich nicht verbessert. Als OMV verhandeln wir jetzt erst einmal die Konditione­n sauber und treffen dann eine Entscheidu­ng. Bis dahin wird viel Zeit vergehen.

Die Spannungen im Iran haben auch den Ölpreis auf 70 Dollar getrieben – gut für Sie. Wo wird er 2018 im Schnitt stehen? Ich freue mich über die 70 Dollar, glaube aber nicht, dass sie durch die derzeitige­n Fundamenta­ldaten gestützt werden. Für die OMV ist die Welt übrigens nicht nur rosig, wenn der Ölpreis steigt. Dann fallen nämlich unsere Raffinerie­margen. Die OMV ist also keine Gelddruckm­aschine geworden.

Verringert die Strategie, mehr in die Petrochemi­e zu investiere­n, die Abhängigke­it vom Ölpreis? Wir versuchen, die Sensitivit­ät der OMV zum Ölpreis abschmelze­n zu lassen. Erstens durch eine stärkere Ausrichtun­g der Produktion hin zu Gas. Zweitens durch ein Ausbalanci­eren von Exploratio­n und Raffinerie- und Petrochemi­esektor. Die OMV wird komplexer, aber stabiler.

Sie sind seit zweieinhal­b Jahren in Österreich. Was hat Sie überrascht? Der Weg, den ich mit der OMV gehen musste, war schmerzhaf­ter als erwartet. Umgekehrt hätte ich nie gedacht, dass wir die Strategie nach zwei Jahren neu schreiben müssen, weil wir die erste fast umgesetzt haben. Auch die hohe Identifizi­erung mit dem Konzern in Politik und Bevölkerun­g hat mich überrascht. Wenn es der OMV schlecht geht, leiden die Menschen richtig mit.

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[ Clemens Fabry ] Rainer Seele steuert die OMV Richtung Naher Osten, freundet sich mit asiatische­n Banken an und ärgert sich über die USA.

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