„Die OMV ist mehr als Russland“
Interview. Der Sprung nach Sibirien ist geschafft, sagt Konzernchef Rainer Seele. Jetzt nimmt er den Nahen Osten ins Visier. Seine Eigentümer warnt er: Die OMV sei keine Gelddruckmaschine.
Der Sprung nach Sibirien sei geschafft, sagt OMVChef Rainer Seele im „Presse“-Interview. Jetzt nimmt er den Nahen Osten ins Visier.
Was erwarten Sie als Chef eines teilstaatlichen Konzerns von der neuen Regierung? Die FPÖ gilt immerhin als russenfreundlich. Rainer Seele: Als Unternehmen, das sich weiter internationalisieren will, sind Auslandsreisen mit Regierungsmitgliedern für uns besonders wichtig. Da geht es aber nicht um die Einstellung zu Russland. Die OMV ist mehr als Russland. Die neue Strategie, die ich im März vorlegen werde, wird zeigen, dass es für uns noch viel mehr gibt.
Sie wollen die OMV künftig noch stärker in politisch instabile Regionen führen. Wohin genau? Die OMV kann es sich leider nicht aussuchen, wo sich Öl- und Gaslagerstätten befinden. Die größten Gasvorkommen sind in Russland, die größten Ölreserven im Nahen Osten. In Russland haben wir es geschafft, jetzt wollen wir im Nahen Osten Fuß fassen – vor allem im Petrochemiebereich. Das Thema Risiko sehe ich anders. Es geht dabei nicht nur um die Region. Wir planen einen stärkeren Ausgleich zwischen Exploration und Raffineriegeschäft. Das soll unser Stabilitätsanker werden.
Die wirtschaftliche Logik hinter dem Engagement in Russland ist simpel: Es gibt viel Gas zu niedrigen Kosten. Umgekehrt müssen Sie das Gas zum russischen Preis verkaufen. Was kostet Sie das? Mit dem Einstieg ins Gasfeld Juschno Russkoje sind wir in Sibirien angekommen. Davor war die OMV in Russland nicht relevant. Mir ist es egal, wo das Gas verkauft wird. Entscheidend ist, dass das Methanmolekül, sobald es Tageslicht sieht, in Euro konvertiert wird. Dahinter steht eine Preisformel, wonach die Erlöse zur Hälfte aus dem deutschen und zur Hälfte aus dem russischen Gaspreis zusammengesetzt werden. In Summe erwarten wir uns in den nächsten fünf Jahren davon je rund 200 Mio. Dollar Ertrag.
Gibt man das Gas im Inland also quasi gratis ab? Gazprom selbst verdient in Russland auch kaum. Bei der OMV gibt es nichts umsonst. Auch das Gas, das wir in Russland verkaufen, ist wirtschaftlich tragfähig.
Der größere Part des RusslandPlans, das Tauschgeschäft mit der Gazprom, steht noch aus. Wann wird es finalisiert sein? Wir hatten den Abschluss immer Ende 2018 geplant. Nur zum Vergleich: Ähnliche Tauschtransaktionen der Wintershall mit Gazprom haben fünf Jahre gedauert. Wir werden nach 3,5 Jahren fertig sein.
Aus der Branche hört man, dass die USA stark gegen das Geschäft intervenieren. Stimmt das? Das kann ich nicht bestätigen. Offensichtlich ist die ablehnende Haltung der US-Regierung zu unserem Pipelineprojekt Nordstream 2. Dahinter verbirgt sich das Interesse der Amerikaner, Flüssiggascargos in die EU zu verkaufen. Deshalb wollen sie keine neue Leitung aus Russland in die EU. Verbindungen zum Assettausch sehe ich nicht.
Washington plant Sanktionen gegen Konzerne, die bestimmte Geschäfte mit Moskau machen. Wie sehr schadet das der OMV schon? Wir sehen eine Verunsicherung an den Kapitalmärkten durch die Situation. Wir mussten daher die Finanzierung der Nordstream 2 neu bewerten. Sie wird trotzdem kommen, aber mit anderen, wohl asiatischen Banken. Wir als Investoren politisieren das Projekt nicht, und ich würde auch davon abraten, das zu tun. Das Projekt ist rein wirtschaftlich getrieben und dient Europas Versorgungssicherheit. Ich erwarte in nächster Zeit die Baugenehmigungen. Und wenn die da sind, wird das Rohr verlegt. Wir werden diese Pipeline bauen. Fühlen Sie sich von Europas Politik im Stich gelassen? Nein. Es geht nicht um Konzerninteressen. Es geht darum, dass die transatlantische Partnerschaft nicht funktioniert. Bis jetzt waren die Sanktionen gegen Moskau zwischen USA und EU abgestimmt. Anlass war der Konflikt in der Ukraine. Jetzt wird eine mögliche Beeinflussung der US-Präsidentschaftswahl als Grund hergenommen. Da kann ich Europapolitikern nur empfehlen, einen politisch erwachsenen Weg zu wählen und nicht Vereinbarungen von jenseits des Atlantiks zu kopieren.
Sie sind auch Chef der deutschen Außenhandelskammer. Lobbyieren Sie schon für den Ausstieg aus den Sanktionen? In der Kammer stehen die Wirtschaftsinteressen im Vordergrund. Die Botschaft dort lautet: Wir sind seit Jahren von Sanktionen belagert, die sich stark auswirken. Die Wirtschaft will eine Normalisierung der Beziehungen. Dafür mache auch ich mich stark. Wir brauchen eine Annäherung zu Russland, keine weitere Provokation.
Also ein Ende der Sanktionen? Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass sich die Sicherheitslage in der Ukraine nicht so gebessert hat, dass wir es Frieden nennen können. Wenn es da Fortschritte gibt, kann ZUR PERSON
Rainer Seele (*1960) kommt aus Bremerhaven. 1987 startet der Chemiker seine Karriere beim deutschen Chemieriesen BASF. 1996 wechselt er zur BASFTochter Wintershall, die letzten Jahre als Chef. Wintershall kooperiert seit Jahren mit der russischen Gazprom. Seele ist auch Präsident der russisch-deutschen Außenhandelskammer. 2015 übersiedelt der dreifache Vater nach Wien und wird Generaldirektor der OMV, wo er viel in die engere Partnerschaft mit Russland investiert. Im März will Rainer Seele der OMV eine neue Strategie verpassen. man an die schrittweise Rücknahme der Sanktionen denken.
In unserem letzten Interview sagten Sie, dass Sie viele neue Freunde im Iran hätten. Ist das nach den Unruhen immer noch so? Meine Priorität gilt der Freundschaft zu Abu Dhabi. Die geopolitische Situation rund um den Iran hat sich nicht verbessert. Als OMV verhandeln wir jetzt erst einmal die Konditionen sauber und treffen dann eine Entscheidung. Bis dahin wird viel Zeit vergehen.
Die Spannungen im Iran haben auch den Ölpreis auf 70 Dollar getrieben – gut für Sie. Wo wird er 2018 im Schnitt stehen? Ich freue mich über die 70 Dollar, glaube aber nicht, dass sie durch die derzeitigen Fundamentaldaten gestützt werden. Für die OMV ist die Welt übrigens nicht nur rosig, wenn der Ölpreis steigt. Dann fallen nämlich unsere Raffineriemargen. Die OMV ist also keine Gelddruckmaschine geworden.
Verringert die Strategie, mehr in die Petrochemie zu investieren, die Abhängigkeit vom Ölpreis? Wir versuchen, die Sensitivität der OMV zum Ölpreis abschmelzen zu lassen. Erstens durch eine stärkere Ausrichtung der Produktion hin zu Gas. Zweitens durch ein Ausbalancieren von Exploration und Raffinerie- und Petrochemiesektor. Die OMV wird komplexer, aber stabiler.
Sie sind seit zweieinhalb Jahren in Österreich. Was hat Sie überrascht? Der Weg, den ich mit der OMV gehen musste, war schmerzhafter als erwartet. Umgekehrt hätte ich nie gedacht, dass wir die Strategie nach zwei Jahren neu schreiben müssen, weil wir die erste fast umgesetzt haben. Auch die hohe Identifizierung mit dem Konzern in Politik und Bevölkerung hat mich überrascht. Wenn es der OMV schlecht geht, leiden die Menschen richtig mit.