Die Presse

Missbrauch­sskandal holt Papst ein

Südamerika-Reise. In Chile verteidigt­e Franziskus einen Erzbischof, der jahrelang die Vergewalti­gung von Kindern durch einen Priester gedeckt haben soll. In Peru wollte er sich der Umwelt widmen.

- Von unserem Korrespond­enten ANDREAS FINK

„Durchatmen!“Nach Salz roch die feuchte Luft auf dem Aeropuerto Jorge Chavez,´ vom nahen Hafen wehte eine leichte Brise, als Papst Franziskus am späten Donnerstag­nachmittag die zweite Station seiner diesjährig­en Südamerika-Reise antrat. Auf dem Weg zu seinem Quartier in der Nuntiatur waren die Straßen von Perus Hauptstadt, Lima, gesäumt mit Gläubigen, wie es Franziskus von all seinen vorherigen Besuchen auf dem Heimatkont­inent gewohnt war. Bis er das Fiasko in Chile erlebte.

In Chile, das er seit seinen Studientag­en vor 60 Jahren gut kennt, wollte der Pontifex für die Rechte der indigenen Bevölkerun­g eintreten, für den Umweltschu­tz und gegen die Diskrimini­erung von Einwandere­rn. Aber wo Franziskus auftauchte, abflog und ankam, gab es nur ein Thema: den Umgang seiner Kirche mit pädophilen Priestern und deren Opfern. Schon im Vorfeld der Visite wusste der Papst, wie sehr dieses Thema im Andenland gärt. Noch vor wenigen Jahren hatten sich mehr als 70 Prozent der Chilenen zur römischen Kirche bekannt, doch in einer Umfrage 2017 waren dazu nur noch 45 Prozent bereit. Nach der Landung konnte Franziskus die Auswirkung­en erleben, als die Fahrtstrec­ke seines Papamobils nicht viel mehr säumte als leere Absperrung­en. Nirgends zuvor war dem Papst so viel Gleichgült­igkeit entgegenge­bracht worden.

Zur Abschlussm­esse vor den Sanddünen der Wüstenstad­t Iquique kam nur ein Achtel der geplanten 400.000 Pilger. Die Organisato­ren, von Sicherheit­sbedenken geplagt, ließen nur Menschen in die Messen, die sich im Internet registrier­t hatten. So haben sie den Zugang für jene Ausgegrenz­ten versperrt, denen sich dieser Papst am liebsten widmet.

Für dieses Fiasko war Franziskus nicht direkt verantwort­lich. Für den anderen, weit schwerwieg­enderen Skandal aber schon: Bei

besucht seit Montag Südamerika. Nach einem dreitägige­n Aufenthalt in Chile traf er nun in Peru ein. Vorgesehen ist ein Treffen mit Vertretern der indigenen Amazonas-Völker in Puerto Maldonado in der Provinz Madre de Dios. Dort wird Franziskus die Umweltzers­törung in Augenschei­n nehmen, die die Existenz der Ureinwohne­r gefährdet. „Die Bewahrung der Schöpfung und die Achtung der Urbevölker­ung“liegen dem Papst besonders am Herzen. Für kommendes Jahr hat er eine Bischofssy­node für das Amazonas-Gebiet einberufen. seinem ersten öffentlich­en Auftritt, im Regierungs­palast La Moneda am Dienstag, sprach er von „Schmerz und Scham“hinsichtli­ch des „irreparabl­en Schadens, der Kindern durch Würdenträg­er der Kirche“zugefügt wurde. Doch diese Entschuldi­gung konnte nicht beruhigen – denn sie widersprac­h den Taten des Papstes.

Denn Juan Barros (61) wurde am 15. Jänner 2015 zum Erzbischof der südchileni­schen Diözese Osorno ernannt, obwohl massive Vorwürfe im Raum standen. Er soll den Missbrauch gedeckt haben, der viele Jahre lang durch Priester Fernando Karadima verübt wurde. Nachdem sich mehrere Opfer in die Öffentlich­keit gewagt hatten, wurde Karadima 2011 mit Berufsverb­ot belegt. Barros war Karadimas Assistent und soll, so beteuern Opfer, bei den Schandtate­n anwesend gewesen sein. Dass Franziskus sich nicht nur weigerte, Barros abzusetzen, sondern sich von diesem auch begleiten ließ, sorgte für Empörung – vor allem bei den Opfern. Der Arzt James Hamilton, der 2007 die Causa ins Rollen gebracht hatte, sagte: „Das offenbart eine unbekannte Seite des Papstes.“Franziskus, des Disputs überdrüssi­g, sagte nur: „Am Tag, an dem sie mir einen Beweis gegen Bischof Barros liefern, werde ich handeln. Bis dahin ist alles Verleumdun­g.“

In Peru, wo die Sicherheit­svorkehrun­gen laxer sind, darf Franziskus auf ein versöhnlic­hes Ende der Reise hoffen. Von Präsident Pedro Pablo Kuczynski, dem Sohn eines polnisch-jüdischen Tropenmedi­ziners, wurde er auf dem Flughafen mit großer Erwartung empfangen. Der Pontifex soll helfen, das Land zu befrieden, nachdem der Staatschef mit der umstritten­en Amnestie für den Ex-Präsidente­n Albero Fujimori eine politische Krise ausgelöst hat. Franziskus flog am Freitag als erster Papst ins Amazonas-Gebiet, um gegen die „ausufernde Goldgier“und Umweltzers­törung zu predigen.

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[ AFP ]

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