Die neue Bühne des Gernot Blümel
ÖVP Wien. Der Chef der kleinen Stadtpartei klinkt sich mit dem Selbstvertrauen eines Ministers in die Häupl-Nachfolge ein. Man gibt sich nun als konstruktive, staatstragende Opposition.
Es zeugt von einem robusten Selbstbewusstsein, wenn der Chef einer Neun-Prozent-Partei in Wien sich vor Medien stellt und der Bürgermeisterpartei Michael Häupls öffentlich Bedingungen stellt. Aber die Zeiten haben sich geändert.
Gernot Blümel, der die Wiener ÖVP nach dem Fiasko der Gemeinderatswahl 2015 übernommen hat, ist nicht mehr der oft belächelte Konkursverwalter einer zertrümmerten und zerstrittenen Kleinstpartei, die als unreformierbar galt. Als Minister und Regierungskoordinator haben die Worte des Wiener VP-Chefs, der die Stadtpartei reformiert hat, nun ein anderes Gewicht.
Diese neue Bühne bespielt Blümel sehr gezielt, wie am Freitag zu sehen war: „Die Bundesregierung arbeitet auf Hochtouren, es ist ein neues Miteinander“, so Blümel in Anspielung an frühere Dauerkonflikte unter Rot-Schwarz im Bund, um den Bogen nach Wien zu spannen: „Hier hat Rot-Grün bisher nur gestritten – beim Lobau-Tunnel wie der dritten Piste für den Flughafen.“Nachsatz: „2018 bringt einen neuen Bürgermeister. Es ist prinzipiell gut für die Stadt, wenn die Führungsdebatte bei der SPÖ beendet ist – wir wollen den Wechsel konstruktiv begleiten.“
Damit vollzieht Blümel auch stilmäßig einen Wechsel in der Wiener ÖVP: nicht mehr volle Frontalopposition, sondern konstruktive Opposition. Zumindest in der Tonalität, die bemüht staatstragend inszeniert wird. Schließlich ist Blümel nun Minister. Auch wenn er am Freitag als Wiener ÖVP-Chef, gemeinsam mit der künftigen VP-Klubchefin, Elisabeth Olischar, dem Häupl-Nachfolger die ÖVP-Unterstützung bei der Wahl zum Bürgermeister im Wiener Gemeinderat anbot. Als Bedingung formulierten Blümel und Olischar vier Fragenblöcke an den Häupl-Nachfolger, dessen Name in einer Woche feststehen wird. Kostenwahrheit bei den städtischen Gebühren, „mehr Gerech- tigkeit bei der Mindestsicherung“, also Kürzungen, Tourismuszonen in Wien (Stichwort: Sonntagsöffnung), Abkehr von der Forderung eines Wahlrechts für Ausländer und ein Ende der Gangbetten in den Spitälern. Auf die Frage, ob die Türkisen Michael Ludwig oder Andreas Schieder als Bürgermeister präferieren, meinte Blümel nur kryptisch: „Kommt darauf an.“
Die neue Entspanntheit des Vertrauten von Kanzler Sebastian Kurz dürfte nicht nur darin wurzeln, dass die Wiener ÖVP bei der Nationalratswahl um sieben Pro- zentpunkte auf 21,6 Prozent zulegen konnte. Sondern ihren Stimmenanteil bei einer Wien-Wahl laut Umfrage auf 20 Prozent mehr als verdoppeln würde.
In dem türkisen Selbstvertrauen, mit dem Blümel der SPÖ Bedingungen für eine ÖVP-Unterstützung bei der Wahl zum Bürgermeister de facto diktierten wollte, ging beinah ein kleines, aber nicht unwichtiges Detail unter: Der neue SPÖ-Bürgermeister ist nicht auf die sieben türkisen Stimmen angewiesen – verfügt die rot-grüne Rathauskoalition doch über eine Mehrheit von 54 der 100 Mandate im Gemeinderat.