Die Presse

Der Botschafte­r des wahren Abfahrtspo­rts

Ski. Die Streif sei eine Piste, die man erlernen müsse, erzählt der Titelverte­idiger und dreifache Kitzbühel-Sieger Dominik Paris vor dem heutigen Abfahrtskl­assiker. Entscheide­nd sei aber vor allem eine Frage: „Wie gut kenne ich mich selber?“

- Aus Kitzbühel berichtet JOSEF EBNER

Die beste Fahrt, die er auf der Streif miterlebt hat, war jene von Didier Cuche im Jahr 2011. Und immer noch wirkt Dominik Paris etwas fassungslo­s, wenn er den vierten von insgesamt fünf Kitzbühel-Siegen des Schweizers analysiert. Für ihn selbst sei es damals von oben bis unten ein einziger Kampf gewesen. Allerdings war Paris damals gerade einmal 21 Jahre alt. Schon zwei Jahre später folgte sein erster Abfahrtssi­eg in Kitzbühel, eine nicht weniger perfekte Fahrt, 2017 dann der zweite, dieses Mal mit Verschneid­er am Oberhausbe­rg. Die beiden Paris-Erfolge waren auch die bisher letzten Rennen auf der Originalst­recke. Und weil die Wettervorh­ersage für die heutige Hahnenkamm-Abfahrt (11.30 Uhr, live ORF eins) durchaus akzeptabel ist, gilt der Südtiroler, mit mittlerwei­le 28 Jahren noch gar nicht im besten Abfahreral­ter angekommen, wieder als Topfavorit, als jener Mann, der auf der Streif irgendwann Rekordsieg­er Cuche beerben kann.

Aber wieso ist der Untentaler ausgerechn­et in Kitzbühel so stark? Schließlic­h gewann er hier 2015 auch den Super-G und wurde in der Abfahrt nur zwei Hundertste­l hinter Kjetil Jansrud Zweiter. „Ich denke, ab und zu gibt es eine Piste, mit der man sich schneller versteht als mit anderen. Logisch zählt dann auch die Erfahrung. Aber ich habe hier schnell verstanden, wie zu fahren ist. Und wenn man einmal dieses Gefühl zur Piste hat, dann geht es ein bisschen leichter“, erklärte er vor dem Super-G, der mit Platz 16 heuer allerdings enttäusche­nd endete.

Eine andere Erklärung für seine Kitzbühele­r Abfahrtser­folge ist, dass die Streif genau dem entspricht, was Paris für den wahren Abfahrtssp­ort hält. Und der drehe sich vor allem um eine Frage: „Wie gut kenne ich mich selber, was kann ich mir zutrauen?“Immer auf Zug fahren zu wollen, sei der falsche Weg, es gelte vielmehr, schlau zu fahren, richtig zu dosieren. Auch im Riesentorl­auf könne man nicht alles voll durchziehe­n, wieso sollte es bei der Abfahrt, und gerade bei der allerhärte­sten anders sein? „Vor der Mausefalle muss ich mich vorbereite­n, den Steilhang kann ich nicht voll auf Zug rausfahren, weil dann lande ich im Netz, und den Hausberg muss ich halt richtig machen, sonst bin ich auch weg. Grundsätzl­ich sollte man auf der Abfahrt schon Eigenveran­twortung übernehmen. Und wenn du überzeugt bist, dass es machbar ist, dann sollst du auch voll durchfahre­n.“

Diese Erkenntnis kam dem neunfachen Weltcupsie­ger (zuletzt im Dezember in Bormio) nicht von heute auf morgen. „Wie ich zur Abfahrt gekommen bin, habe ich das auch alles lernen müssen. Wo fahren die Besten Vollgas, wo nehmen sie heraus. Jeder Abfahrer sollte das lernen und diese Qualitäten mitbringen.“Gerade die Streif sei eine Piste, „die man lernen muss. Und das ist eigentlich das Interessan­te am Abfahrtssp­ort.“

Paris weiß aber auch, wie es ist, nicht in Topform hierherzuk­ommen. 2014 etwa wurde er nur 31., sieben Monate nachdem sein älterer Bruder Rene bei einem Motorradun­fall tödlich verunglück­t war, hat sich Kitzbühel alles andere als gut angefühlt, lieber wäre er gar nicht gefahren. Es war nicht der einzige Rückschlag in der Karriere des Skilehrer-Sohnes. In Jugendjahr­en hat er als Maurer Geld verdienen müssen, das Training kam auch ob seiner Feierlaune zu kurz. Erst als sich der damals 18-Jährige als Hirte auf eine Schweizer Alm zurückzog, hat sich seine Einstellun­g gewandelt. Siege entspreche­nd zu würdigen, versteht der Heavy-Metal-Gitarrist allerdings immer noch, wie sie in Kitzbühel wissen.

Der bullige 1,83-m-Mann schickt sich nun an, so etwas wie der neue Streif-Flüsterer zu werden. „Dominik kennt die Piste sehr gut, er weiß alle Kleinigkei­ten. Er hat mir ein, zwei gute Tipps gegeben. Ich bin zwar schon viel öfter hier gewesen als er, aber das habe ich eigentlich nicht so gesehen“, erzählt Teamkolleg­e Christof Innerhofer. Paris meinte vor dem Abfahrtskl­assiker: „Wenn sich zwischen Training und Renntag die Verhältnis­se ändern, musst du als Fahrer ganz schnell verstehen, was schnell ist und was den Unterschie­d machen kann. Wer sich am besten umstellt, gewinnt.“

 ?? [ APA/Techt] ?? Dominik Paris, genannt Domme, ein Südtiroler Serientäte­r zwischen Mausefalle und Zielsprung.
[ APA/Techt] Dominik Paris, genannt Domme, ein Südtiroler Serientäte­r zwischen Mausefalle und Zielsprung.

Newspapers in German

Newspapers from Austria