Agrarier und der finanzpolitische Anstand
Der Brexit darf nicht als Vorwand für noch mehr Fördergeld dienen.
D er nahende Brexit hat die europäischen Agrarlobbys in heftige Bewegung versetzt. Ihr offenkundiger Plan: den Austritt Großbritanniens aus der EU für einen größeren Fischzug im EU-Budget zu nutzen. Was da zuletzt an Forderungen kam, verdient jedenfalls das Etikett „völlig jenseitig“.
Die Argumentation geht so: Der Ausstieg der Briten werde das EU-Budget rund zwölf Mrd. Euro kosten. Und weil nun einmal der größte Ausgaben brocken aus Landwirt schafts förderungen besteht, die denAgr ariern offenba run hinterfragt„ zustehen “, müsste diese Summe aus zusätzlichen nationalen Budgetmitteln kompensiert werden. Klar, oder?
Die Sache hat einen kleinen Haken: Die Agrarier operieren da mit aufgeblasenen Zahlen. Zwölf Mrd. Euro war der britische Nettobeitrag zur Gemeinschaft einmal. Zuletzt ist er auf 5,57 Mrd. Euro gesunken. Da die Agrarförderungen „nur“40 Prozent des EU-Budgets verschlingen, beträgt die echte Lücke in der Bauernförderung durch den Wegfall der Briten also gerade einmal 2,2 Mrd. Euro. Das klingt in absoluten Zahlen immer noch nach viel Geld, entspricht aber gerade einmal vier Prozent der EU-Agrarausgaben. S o, und jetzt werfen wir einmal einen Blick in die Transparenz datenbank (www.transparenzdatenbank.at), wo alle EU-Agrarförderungen aufgelistet sind.Unt erden zehn größten Förderungs empfängern in Österreich findet man dort keinen einzigen Bauern, dafür aber jede Menge Ag rar organisationen. Wir haben es also weniger mit einer Bauernförderung (und wenn, dann mit einer ausgeprägten Großbetriebs förderung) zutun als mit einem Selbstbedienungsladen der Agrarlobby. Wer sagt, dass da nicht locker vier Prozent eingespart werden können, ohne dass einem einzigen Bauern etwas weggenommen wird – der muss schon Landwirt schafts kammerfunktionär sein.
Der Schweizer Thinktank Avenir Suisse hat in einer Analyse über die schweizerische Agrarförderung gemeint, der Agrarpolitik sei „offenbar der finanzpolitische Anstand abhandengekommen“. Diese Diagnose kann man ruhig eins zu eins auf die EU-Agrarpolitik umlegen.