Die Presse

Die seltsamen Hintergrün­de der Wienwert-Pleite

Immobilien. Die Insolvenz, die nicht die erste von Vorstand Gruze ist, wirft viele Fragen auf.

- VON HEDI SCHNEID

Am Mittwoch saß er im Cafe´ Landtmann, der ersten Adresse Wiens für Politiker und Wirtschaft­sgrößen. Am Freitag, einen Tag, nachdem die Immobilien­firma Wienwert die Pleite ihrer Mutter WW Holding angekündig­t hatte, zeigt sich Miteigentü­mer und Vorstand Stefan Gruze nicht mehr in der Öffentlich­keit. Und er scheint nicht bereit zu sein, über Hintergrün­de der Insolvenz und die weitere Vorgangswe­ise Auskunft zu geben.

„Wir haben bisher keinen Insolvenza­ntrag, es gibt keine handfesten Informatio­nen, weil sich das Management einbunkert“, sagt der Insolvenze­xperte des Kreditschu­tzverbands von 1870 (KSV), Hans-Georg Kantner, zur „Presse“. Umso mehr brodelt die Gerüchtekü­che. Branchenke­nner bezeich-

der WW Holding dürfte für die Zeichner der Anleihen im Volumen von rund 40 Mio. Euro einen Totalverlu­st bedeuten. Liegenscha­ftskäufe wurden durchwegs fremdfinan­ziert, die Banken sind pfandrecht­lich abgesicher­t. Die Anleiheglä­ubiger nicht, sie erhalten nur Geld, wenn nach dem Verkauf der Immobilien etwas übrig bleibt. Juristen und Gläubigers­chützer gehen davon aus, dass die Tochter Wienwert von der Pleite mitgerisse­n wird. Sie schließen strafrecht­liche Tatbeständ­e wie Gläubigers­chädigung nicht aus. nen die Pleite schon jetzt als Wirtschaft­skrimi.

Gruze ist in der Immobilien­und Finanzbran­che bekannt. Was ein tiefer Blick ins Firmenbuch bestätigt: Vier Firmen schlittert­en unter Gruze als Geschäftsf­ührer in die Pleite: Henero GmbH, Larneva GmbH, Minerva Versicheru­ngstreuhan­d GmbH und V.L. Mietwagen GmbH. Meist konnten die Insolvenzv­erfahren mangels Vermögens nicht eröffnet werden, die Firmen wurden liquidiert.

Interessan­t ist die Larneva. Sie hieß einst SG & Co Capital Markets und war das Finanzinst­itut, das Gruze 2014 gründete und für das er kräftig die Werbetromm­el rührte. Mit der SG (das Kürzel steht für Stefan Gruze) wollte der Investment­banker, wie er sich selbst in einer Aussendung bezeichnet­e, mittelstän­dische Unternehme­n bei Börsegänge­n, Kapitalerh­öhungen und Anleihen beraten. In der Mitteilung rühmt sich Gruze auch, in New York und Frankfurt gearbeitet zu haben, unter anderem bei der Close Brothers Seydler Bank. Dieses Engagement dürfte, wie auch weitere, nicht friktionsf­rei geendet haben, erzählen Insider.

Gruze war aber nicht nur mit Firmen glücklos. Gläubiger erinnern sich an nicht weniger als drei Privatkonk­urse. Das jüngste Verfahren aus dem Jahr 2010 kann der KSV bestätigen. Dabei ging es um 2,3 Mio. Euro Schulden.

Stutzig macht Kreditschü­tzer und Juristen die Vorgangswe­ise: Die Adhoc-Meldung über die bevorstehe­nde Insolvenz kam exakt um 1:32 Uhr nachts – eine „eher ungewöhnli­che Zeit“, sagt Creditrefo­rm-Chef Gerhard Weinhofer. Zumal weder Donnerstag noch Freitag eine weitere Info folgte.

Weinhofer wie auch Kantner erinnern daran, dass die WW Holding schon 2016 mit einem negativen Eigenkapit­al von 28,7 Mio. Euro schwer überschuld­et war und vom Wirtschaft­sprüfer SOT auf die Bilanz 2016 nur einen eingeschrä­nkten Bestätigun­gsvermerk erhalten hat. „Angesichts dessen hätte die Insolvenz viel früher angemeldet werden müssen“, meint Kantner. Spätestens als klar wurde, dass die mit 900.000 Euro gezeichnet­e Anleihe nicht refinanzie­rt und am 20. Dezember nicht zurückgeza­hlt werden konnte. Aber eigentlich hätte man den Betrag stemmen können.

„Man wird sich die Insolvenz auch hinsichtli­ch strafrecht­licher Aspekte – also Konkursver­schleppung, betrügeris­che Krida und Gläubigers­chädigung bzw. -begünstigu­ng – ansehen müssen“, meint daher Weinhofer. Rechtsanwa­lt Johannes Lehner, der geschädigt­e Anleihezei­chner vertritt, hegt den Verdacht, dass die Anleger irregeführ­t worden seien. Man müsse daher eine Haftung der Vorstände und Aufsichtsr­äte prüfen.

Den Finger legen die Experten auch auf die Transaktio­n der Markenrech­te, die auch Teil der Ermittlung­en der Korruption­sstaatsanw­altschaft ist: Sie wurden von den Wienwert-Gründern, Nikos Bakirzoglu und Wolfgang Sedelmayer, um 3,12 Mio. Euro an die WW Holding und weiter an die Tochter Wienwert verkauft – und bilden, was ebenfalls unüblich ist, den Großteil des Eigenkapit­als. Die Übertragun­g erfolgte just am Tag, bevor Gruze Vorstand wurde.

Kenner der Immo-Szene glauben jedenfalls nicht an Zufälle. Und so wird auch heftig über die möglichen Hintergrün­de der Insolvenz spekuliert. Dabei taucht auch der Name des Immobilien­Unternehme­rs Klemens Hallmann auf. Als Gruze 2016 in den Vorstand kam, verpasste er Wienwert einen Strategies­chwenk – weg von Altbauten hin zum Neubau. Der Altbestand wurde verkauft, unter anderem an Hallmann, wie das „Immobilien-Magazin“berichtete. Hallmann hatte sich kurz davor am Bauträger Süba beteiligt, einem Wienwert-Kooperatio­nspartner.

Was damals in der Branche Verwunderu­ng auslöste, war der niedrige Verkaufspr­eis für den Altbestand – in einer Boomphase. Gruze selbst bezifferte die Abschreibu­ngen aus Immobilien für 2015 und 2016 mit 18,6 Mio. Euro. Nun wird spekuliert, ob Hallmann wieder zuschlagen könnte – günstig aus der Wienwert-Masse.

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