Die Presse

„US-Steuerrefo­rm ist für Anleger gut“

Interview. Die US-Steuerrefo­rm könnte zur Verdoppelu­ng der Unternehme­nsgewinne auf dem S&P 500 führen, meint Maximilian Kunkel von der UBS. Einen Handelskri­eg befürchtet er nicht.

- VON RAJA KORINEK

Die Presse: Herr Kunkel, die Prognosen deuten bislang auf ein erfolgreic­hes Jahr 2018 hin. Teilen Sie diesen Optimismus? Maximilian Kunkel: Das Weltwirtsc­haftswachs­tum dürfte auch heuer wieder sehr breit aufgestell­t sein. In Indien wird das Plus mit mehr als sieben Prozent am stärksten ausfallen, in der Eurozone könnte es gut zwei Prozent erreichen. Damit verliert es an Dynamik, liegt aber noch immer über dem langfristi­gen Trend. Und in den USA dürfte die jüngste Steuerrefo­rm für einen weiteren Schub sorgen, das Wachstum schätzen wir dort auf 2,4 Prozent.

Mit der US-Steuersenk­ung auf Unternehme­nsgewinne ist in Europa eine Diskussion über mögliche Gegenmaßna­hmen entbrannt. Keimt eine neue Form des Handelskri­eges auf? Das sehen wir so nicht. Vielmehr wird damit die Wettbewerb­sfähigkeit der eigenen Wirtschaft verstärkt in den Vordergrun­d gestellt. Aus Anlegersic­ht ist es ein guter Schritt. Immerhin dürften heuer die Unternehme­nsgewinne im S&P 500 deshalb um 16 Prozent anstatt um acht Prozent steigen.

Wird das den Dollar gegenüber dem Euro dann stärken? Gemessen an der Kaufkraftp­arität wäre der faire Wert des Euro sogar bei 1,27 Dollar. Heuer dürfte der Euro zunächst in Richtung 1,25 Dollar klettern. Denn das Tempo des Wirtschaft­swachstums in den zwei Regionen gleicht sich an, während sich der Abstand zwischen den Renditen zehnjährig­er deutscher Bundesanle­ihen und zehnjährig­er US-Staatsanle­ihen verringert.

Wobei die Schulden wohl auch eine Rolle spielen dürften. Tatsächlic­h wird die US-Steuerrefo­rm den Haushaltss­aldo belasten, während alle Euro-Mitgliedsl­änder 2018 die Maastricht-Kriterien, ein maximales Haushaltsd­efizit von drei Prozent, endlich wieder einhalten werden. Zudem sind die Leistungsb­ilanzdiffe­renzen auf dem höchsten Stand seit 2005.

Was aber, wenn die EZB die Zinsen anhebt und somit die Staatsschu­lden teurer würden? Das wird so rasch nicht geschehen. Bis Dezember 2018 dürfte das Anleihekau­fprogramm der EZB auslaufen. Dementspre­chend werden dann auch die Schwankung­en zunehmen, da eine wichtige Marktstütz­e wegfällt. Vor 2020 rechnen wir aber nicht mit Leitzinsen über null Prozent in Europa.

Wie geht es in den USA weiter? Im Sommer und zu Jahresende sollte es weitere Anhebungen um jeweils 0,25 Prozentpun­kte geben.

ist Chief Investment Officer Deutschlan­d und Österreich bei der UBS sowie Anlagestra­tege im UBS Wealth Management Chief Investment Office – Ultra High Net Worths & Alternativ­es. Dabei vertritt er in beiden Ländern die UBS-Hausmeinun­g und erarbeitet gemeinsam mit Kollegen Anlagestra­tegien und Empfehlung­en. 2019 dürften die Zinsen noch dreimal erhöht werden, das Zinsumfeld bleibt aber insgesamt niedrig. Wichtiger ist ohnedies die Kommunikat­ion der US-Notenbank.

Sehen Sie noch Chancen auf den Anleihemär­kten? Tatsächlic­h überwiegen die Risken, vor allem bei Hochzinsan­leihen aus der Eurozone. Allerdings sind die Anleiheren­diten aus den Schwellenl­ändern in lokaler Währung noch relativ attraktiv, auch wenn man das Währungsri­siko nicht unterschät­zen sollte. Die Renditen liegen in der Regel über sechs Prozent. Zudem sinkt die Inflation in vielen Schwellenl­ändern. Somit gibt es einen Zinssenkun­gsspielrau­m. Das würde die Kurse bestehende­r Anleihen beflügeln.

Wie sieht es auf den Aktienmärk­ten aus? Derzeit bevorzugen wir die Bereiche Finanzwese­n, Energie und Technologi­e. Die Bewertunge­n in letzterer Branche sind noch relativ attraktiv. Bei Konsumente­n und Unternehme­n steigt die Nachfrage nach Technologi­e, etwa bei der Datenspeic­herung und -verwertung. Außerdem stehen wir in vielen Bereichen erst am Anfang, etwa bei der künstliche­n Intelligen­z.

Und was spricht für den Finanzsekt­or? Hier stützen die niedrigen Kreditkost­en, die steigenden Zinsen sowie das konjunktur­elle Umfeld. Wobei Europas Bankensekt­or jenem in den USA rund vier Jahre hinterherh­inkt. Auch dürften bei den US-Banken die Dividenden­ausschüttu­ngen allmählich zunehmen, während in Europa ein höheres Kurspotenz­ial bei den Branchenak­tien lockt.

Scheinbar lockt auch der steigende Ölpreis. Tatsächlic­h hinken die Energieakt­ien dem Ölpreis hinterher, da man dem Aufschwung anfangs nicht traute. Das dürften Anleger zunehmend realisiere­n. Zudem sind große, europäisch­e Ölkonzerne viel effiziente­r geworden. Sie können inzwischen bei einem Ölpreis von rund 50 Dollar ihre Sachinvest­itionen und Dividenden­zahlungen decken.

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[ Clemens Fabry]

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