Die schönsten Dissonanzen, nicht nur bei Mozart
Bei Bela´ Bartok´ fand das ArtemisQuartett zum stärksten Ausdruck.
Ein erboster Käufer soll einst dem Verlag Artaria die Notenausgabe von Mozarts Streichquartett KV 465 mit der Beschwerde zurückgeschickt haben, diese sei gespickt mit Druckfehlern: Die harmonischen Volten, die der Einleitung zum Stirnsatz ihren rätselhaft-herben Charakter verleihen, überforderten damals das Verständnis selbst von Musikern. „Dissonanzen-Quartett“nennt man das Werk wegen dieser 22 Takte – und wenn das Artemis-Quartett diese mit sparsamem Vibrato und ausdrucksvoll zögerlich, ja suchend spielt, dann begreift man auch heute noch die Bestürzung der Zeitgenossen. Dabei verhält es sich mit dem Stück ähnlich wie mit Beethovens 4. Symphonie: Nicht die düstere Einleitung ist das eigentlich Verwunderliche, sondern die überwiegende Sonnigkeit, die auf sie folgt. Das Artemis-Quartett betont freilich die vielfältigen chromatischen Kurven, die Mozart auch in den restlichen Sätzen einschlägt. Da gerät der Verlauf etwa im Finale manchmal bewusst ins Stocken, macht ein Neuansetzen nötig – ein kluger, wenn auch in den Details der Ausführung nicht ohne Rest aufgehendes Konzept.
Wie es klingt, wenn sich die Dissonanzen weiter verselbstständigen, hörte man beim Herzstück des Konzerthausabends: Bartoks´ 2. Streichquartett. Hier zeigte das Artemis-Quartett jene Selbstverständlichkeit des Vortrags, die eingangs noch gefehlt hatte, beim letzten von Mozarts „Preußischen“Quartetten (KV 590). Bei Bartok´ griffen im zentralen Allegro molto capriccioso die lustvolle Kantigkeit der Phrasierung und die subtilen Tempomodifikationen aufs Schönste ineinander, erklangen auch in den Ecksätzen die Klangfarben penibel gemischt. (wawe)