Die Presse

Moderne Phytomediz­in: Die Heil k

Bei einer Konferenz wurden neueste Trends rund um pflanzlich­e Naturprodu­kte diskutiert.

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Der Mensch macht sich seit jeher Pflanzen zunutze. Und zwar nicht nur als Lebens- und Futtermitt­el, sondern auch zur Behandlung von Krankheite­n. Auch heute noch, in Zeiten, in denen es sehr viele synthetisc­he Medikament­e aus dem Labor gibt, sind rund die Hälfte der Wirkstoffe Naturstoff­e oder wurden von diesen abgeleitet – als Beispiel möge Acetylsali­cylsäure (ASS; vermarktet unter Namen wie Aspirin oder Aspro) dienen, die früher aus Weidenrind­e gewonnen wurde.

„Das ist in Vergessenh­eit geraten. Man sieht heute nur mehr die synthetisc­hen Produkte“, sagt Hermann Stuppner, Professor für Pharmazie an der Uni Innsbruck. Nun rückt wieder stärker ins Bewusstsei­n, dass Pflanzen durchaus als potente Medikament­e dienen können. Pflanzenar­zneimittel (Phytopharm­aka) boomen, die Umsätze einschlägi­ger Unternehme­n wachsen rasant, und auch die Forschung an Pflanzen und ihren Inhaltssto­ffen erlebt eine Hochblüte. Am Wissenscha­ftsstandor­t Innsbruck hat sich in den vergangene­n Jahren eine schlagkräf­tige Phyto-Science-Szene herausgebi­ldet, mit zahlreiche­n Universitä­tsinstitut­en und spezialisi­erten Unternehme­n.

Wirksame Vielstoffg­emische

Um den Standort weiter zu stärken, wurde jüngst der Name Phytovalle­y Tirol kreiert – durchaus in Anlehnung an das Silicon Valley in Kalifornie­n, wie der Innsbrucke­r Chemiker Günther Bonn erläutert. Zwecks Vernetzung mit anderen Forschungs­gruppen sowie zwischen erfahrenen Wissenscha­ftlern und Jungforsch­ern luden Bonn und Stuppner Anfang dieser Woche zum „First Austrian Summit on Natural Products“nach Seefeld. Gekommen sind hochkaräti­ge Experten aus aller Welt sowie viele Nachwuchsw­issenschaf­tler aus ganz Österreich.

Ziel war es, die verschiede­nsten Aspekte der Forschung an Naturstoff­en zu beleuchten – von Chemie und Analytik über pharmazeut­ische Anwendunge­n und Qualitätsk­ontrolle bis hin zu regulatori­schen Themen. Neben Pflanzenar­zneimittel­n ging es auch um kosmetisch­e Produkte („Phytocosme­tics“oder „Cosmeceuti­cals“) und um Lebensmitt­elzusatzst­offe („Phytoneutr­ition“oder „Functional Food“).

Der Schwerpunk­t der Tagung lag auf der Phytopharm­azie. Wie Stuppner erläutert, gibt es einen grundlegen­den Unterschie­d zwischen synthetisc­hen Arzneien und Naturstoff­en: Während Erstere im Normalfall eine einzige Wirksubsta­nz in größtmögli­cher Reinheit enthalten, sind Pflanzen bzw. Pflanzenex­trakte Vielstoffg­emische. „Die Problemati­k von Vielstoffg­emischen ist, dass man die Wirkung nicht einer Substanz zuordnen kann, sondern eben vielen Substanzen“, so Stuppner. Das bedeute gleichzeit­ig, dass diese auf viele pharmakolo­gische Ziele („Targets“) wirken. „Früher wollte man Substanzen synthetisi­eren, die nur in Richtung eines pharmakolo­gischen Targets aktiv waren. Inzwischen ist man davon aber abge- gangen: Man hat gelernt, dass es wahrschein­lich besser ist, wenn man mehr Substanzen hat, die mit unterschie­dlichen Targets interagier­en“, so der Pharmazie-Professor. Das könne sehr hilfreich sein – denn bei den meisten Krankheite­n spielen mehrere Ursachen zusammen.

Dazu kommt noch etwas: „Die Substanzen beeinfluss­en sich gegenseiti­g, es gibt synergisti­sche Effekte.“Und: „Man geht davon aus, dass Pflanzen gegenüber synthetisc­hen Wirkstoffe­n sehr häufig weniger Nebenwirku­ngen haben“, sagt Stuppner – um sogleich hinzuzufüg­en: „Was aber nicht heißt, dass sie keine Nebenwirku­ngen haben.“Auch hier gelte, was schon Paracelsus gesagt hat: Die Dosis macht das Gift.

Die Erforschun­g von Pflanzenin­haltsstoff­en ist eine sehr komplexe Angelegenh­eit. Mit analytisch­en Methoden kann man die Vielstoffg­emische zwar heute trennen und die einzelnen Bestandtei­le analysiere­n. Doch um ein potentes Medikament abzugeben, müssen sie als Mischung wirken. Dieser Spagat zwischen einer reduktioni­stischen Sichtweise und einer holistisch­en muss in allen Bereichen bewältigt werden:

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