Die Presse

Wie ich vom Gutmensche­n zum Stammtisch-Österreich­er wurde

Nach zwölf Jahren in der Slowakei kehrte ich nach Österreich zurück – und fühlte mich von meiner Heimat entfremdet.

- Martin Leidenfros­t, Autor und Europarepo­rter, lebt und arbeitet mit Familie im Burgenland. E-Mails an: debatte@diepresse.com

I ch war immer einer von den Guten. Ich hänge mit einer Affenliebe an Europa, habe zur Erforschun­g des Kontinents zehn Sprachen gelernt und Freundscha­ften bis in Romaghetto­s hinein gepflegt. 1993, als Jörg Haider Kriegsflüc­htlinge aus einem Nachbarlan­d angriff, stand ich im Wiener Lichtermee­r dagegen auf. Ich wählte sogar einmal die Grünen für ihre Asylpoliti­k.

Gewiss, als Katholik und als Konservati­ver barg ich in meiner Brust schon lang Meinungen, die vom medialen Mainstream abwichen. Den Islam mochte ich nie besonders. In meiner Arbeit als Europarepo­rter bemerkte ich, wie maghrebini­sche Jugendlich­e Frauen aus französisc­hen Stadtteile­n vertrieben, und auf dem Balkan mit seinem traditione­ll so leichtlebi­gen Islam kamen mir plötzlich junge Wahhabiten unter. Trotz allem stand für mich das Ideal, dass ein reiches Land Flüchtende­n – gleich, welcher Konfession – beistehen muss, höher.

2015 lebte ich noch in einer slowakisch­en Plattenbau­siedlung. Am Beginn der Flüchtling­skrise reagierte auch ich bestürzt. Meine slowakisch­e Frau setzte uns auf eine Warteliste für die freiwillig­e Beherbergu­ng von Flüchtling­en. Diese kamen allerdings nie an, keiner wollte in die Slowakei. Meine Zweifel setzten im November 2015 ein, bei den Pariser Attentaten. Mir war aus der Geschichte keine Fluchtbewe­gung bekannt, bei der einige der Schutzbefo­hlenen, im Gastland angekommen, mordeten.

Ich bereiste die Migrations­routen, etwa Tanger, die Balkanrout­e, Athen. Wie das im Leben so geht, waren mir manche der Migranten sympathisc­h, andere nicht. Ich fand es ungerecht, dass Schweden, Deutschlan­d und Österreich oft eben nicht die Schwächste­n der Schwachen einließen, sondern vorwiegend junge, starke, männliche Muslime aus dem Nahen Osten, unter ihnen zahlreiche Träger der unduldsame­n Ideologie eines politische­n Islam. Österreich hat das Problem importiert, das Afrika und den Nahen Osten zerlegt. Ö sterreichs Eliten, allen voran Journalist­en und Intellektu­elle, trommelten weiter für ungeschütz­te Grenzen. Ich staunte über den Größenwahn ihres Glaubens, dass sich afghanisch­e Analphabet­en, die Frauen den Handschlag verweigern, per Wertekurs umerziehen ließen. Als ich nach zwölf slowakisch­en Jahren wieder in Österreich lebte, fühlte ich mich der Heimat entfremdet. Der Höhepunkt der Entfremdun­g war die Wahl eines Champions muslimisch­er Massenzuwa­nderung zum Bundespräs­identen. In jenen Monaten verwandelt­e ich mich vom Gutmensche­n in einen Stammtisch-Österreich­er: Ich begann die Qualitätsm­edien nach Lügen abzusuchen und heimlich mit Viktor Orban´ zu sympathisi­eren.

Nun in islamophob­e Hetze zu verfallen wäre aber weder hilfreich noch christlich. Auch wenn ich diese demografis­che Islamisier­ung ablehne, respektier­e ich gläubige Muslime für die Festigkeit ihres Glaubens, während die Lauheit und Banalität der Dinge, an die viele Österreich­er glauben, nicht einmal Spott verdient.

Zur Wahrheit über die Flüchtling­skrise gehört auch, dass es die Besten des Landes waren, die den Ankommende­n halfen. So unterricht­eten meine alten pensionier­ten Lehrer für Gotteslohn syrische Jugendlich­e. Die Nächsten bis hin zu möglichen Feinden zu lieben, ohne dabei die Reste eines christlich­en Abendlande­s abzuräumen – um diesen Spagat wird sich diese Kolumne mühen.

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VON MARTIN LEIDENFROS­T

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