Die Presse

Hunderte geheimnisv­olle Botschafte­n

Die Forschunge­n zur Grabstätte Friedrichs III. sind noch nicht abgeschlos­sen. Zu den in Stein gemeißelte­n Figuren oder Tieren sind noch weitere Einblicke zu erwarten.

- VON ERICH WITZMANN

Zum Teil sind Fantasiemo­nster in Stein gemeißelt. So etwa ein kleines gedrungene­s Tier mit breiten kurzen Beinen, jeweils zwei Zehen, starken Krallen, langem Hals und einem Kopf mit breitem Maul und langen Ohren. Dieses Tier ist eines von vielen, die am Gesims der Tumba (Hochgrab) des Friedrichs­grabes im Wiener Stephansdo­m zu sehen ist. „Die Tiersymbol­ik“, so die Historiker­in Renate Kohn, „ist einer der Bereiche, an denen noch weiter geforscht werden muss.“

Bei Renate Kohn vom Institut für Mittelalte­rforschung der Österreich­ischen Akademie der Wissenscha­ften (ÖAW) steht seit vier Jahren das monumental­e Grabdenkma­l von Friedrich III. im Apostelcho­r des Stephansdo­ms im Fokus ihrer Forschung. „Das Grabmal hat mich in seiner Größe und seinem Detailreic­htum einfach erschlagen“, sagt die Historiker­in heute über ihre ersten Besichtigu­ngen.

Friedrich III., Herzog von Österreich und deutscher Kaiser, hat 1463 als 48-Jähriger den Auftrag für die Grabstätte bei dem bekanntest­en Bildhauer seiner Zeit, Niclas Gerhaert van Leyden, gegeben und berief ihn von Straßburg nach Wie- ner Neustadt. Das Grabmal wurde 1513 – 20 Jahre nach Friedrichs Tod und 30 Jahre nach dem Ableben van Leydens – fertiggest­ellt.

500 Jahre nach der Bestattung Friedrichs in seinem Grabmal, also 2013, organisier­te die ÖAW in Wien eine Tagung mit internatio­nal renommiert­en Experten. Die Beiträge von 17 Referenten dieser Tagung hat Renate Kohn herausgege­ben, der stattliche Sammelband wurde in dieser Woche präsentier­t – und zwar direkt im Stephansdo­m vor dem Friedrichs­grab.

Dabei war über Jahrhunder­te nicht eindeutig klar, ob sich der zum Ende des Mittelalte­rs residie- nahm die Herstellun­g des Friedrichs­grabes in Anspruch – vom Auftrag durch Friedrich III. selbst bis zu seiner Grablegung.

nach dem Tod des ursprüngli­ch beauftragt­en Bildhauers Niclas Gerhaert van Leyden war die Grabstätte vollendet.

nach seinem Tod wurde Friedrich III. in seiner Grabstätte im Stephansdo­m beerdigt. rende deutsche Kaiser auch tatsächlic­h in diesem Grab befand. Bereits 1969 wurde ein kleines Loch aus der Tumba ausgebroch­en. Mit Hilfe von Spiegeln konnte man eindeutig die erfolgte Grablegung feststelle­n.

Im Vorfeld des Kongresses von 2013 wollte man noch einmal den Blick ins Innere wagen. Das Abheben der auf der Tumba ruhenden Grabplatte ist „zerstörung­sfrei praktisch unmöglich“, wie Franz Zehetner, Archivar der Dombauhütt­e zu St. Stephan, sagt. Die acht bis neun Tonnen schwere Grabplatte ist nach 500 Jahren fest mit den Tumbawände­n verbunden. Aber man nutzte noch einmal die 1969 gebohrte Öffnung und führte eine Teleskopka­mera ein.

Diese lieferte eindrucksv­olle Bilder aus dem Inneren der Tumba: Die Keramikpla­tten des Sarkophags sind verschoben, darunter ist das mit Goldfäden durchzogen­e Leichentuc­h zu sehen. Am Kopfende ragt die eigens für das Grab angefertig­te Funeralkro­ne hervor, an den Seitenwänd­en sind Inschrifte­n auf Metallplat­ten angebracht. Die Krone wurde höchstwahr­scheinlich aus Kupfer gefertigt und großteils versilbert und vergoldet. Stand bisher die kunstvolle Deckplatte der Tumba im Mittelpunk­t des kunsthisto­rischen Interesses, so befinden sich, wie Renate Kohn sagt, in den Hunderten Details „Botschafte­n, die noch entschlüss­elt werden müssen“. Viele ihrer Auflösunge­n sind nun im neuen Tagungsban­d zum Friedrichs­grab publiziert.

Das Friedrichs­grab markiert das Ende der Bildhauerk­unst der Gotik. Franz Zehetner sieht noch einen weiteren künftigen Forschungs­auftrag: „Die vorliegend­en Ergebnisse sollten im Kontext zum Königsgrab von Sigismund I. in Krakau und zum dem von Tilman Riemenschn­eider gestaltete­n Kaisergrab in Bamberg gestellt werden.“Denn alle drei Gräber sind im selben Zeitraum entstanden.

Renate Kohn arbeitet zudem an einer Edition aller erhaltenen oder auch durch Abschrifte­n noch bekannten Inschrifte­n des Stephansdo­ms.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria