Die Presse

Zu schade für die Kläranlage

Restwasser aus der industriel­len Trocknung von Holz wird normalerwe­ise ungenützt abgeleitet – samt wertvoller Inhaltssto­ffe. Forscher wollen es für neue Produkte nutzbar machen.

- VON CLAUDIA LAGLER

Bäume haben vielfältig­e Strategien, um sich selbst zu schützen: Sie können durch Duftstoffe Insekten vertreiben, das Pilzwachst­um hemmen oder Bruchstell­en mit antimikrob­iellen Substanzen schließen, damit ihr Inneres keinen Schaden nimmt. Harze, Wachse, Phenole, Säuren, Terpene oder Duftstoffe sind natürliche Abwehrstof­fe und „Arzneien“, die Bäume zur Verfügung haben. Substanzen, die Thomas Schnabel, Forscher am Fachbereic­h Holztechno­logie und Holzbau der FH Salzburg, für neue industriel­le Anwendunge­n nützen will.

Mit dem vom Technologi­eministeri­um geförderte­n Projekt „Nutzbarmac­hung bioaktiver Substanzen bei der Trocknung (BioSubTro)“macht er sich gemeinsam mit Partnern auf die Suche nach innovative­n industriel­len Verfahren, um jene Extraktsto­ffe, die im Zuge der Holztrockn­ung bisher ungenutzt in der Kläranlage landen, als wertvolle Ressource für neue Anwendunge­n zu nutzen. Bei der Trocknung von Holz in der Sägeindust­rie entsteht Wasserdamp­f. Dieses Kondensat enthält aber auch wertvolle Holzinhalt­sstoffe, die zu schade sind, um einfach entsorgt zu werden. Besonders viele dieser Inhaltssto­ffe sind in der Rinde der Bäume. Sehr interessan­t sind dabei die antimikrob­iellen Eigenschaf­ten des Kondensats, das im Rahmen des Projekts nachgewies­en wurde.

„Für die chemische, pharmazeut­ische und kosmetisch­e Industrie könnten diese Holzextrak­tstoffe ein wertvoller Rohstoff sein“, erklärt Schnabel die Idee hinter dem Projekt. Einen interessie­rten Partner hat er für BioSubTro schon ins Boot geholt. Der Naturkosme­tikherstel­ler Martin Sanoll testet, ob die antimikrob­ielle Wirkung der Extraktsto­ffe die Haltbarkei­t von Hautcremen verbessert. „Es ist ein Forschungs­projekt. Wir sind am Probieren, haben aber schon einige schöne Erfolge“, erzählt Sanoll.

ist ein Ansatz, bei dem Abfall als Ausgangspu­nkt für neue Produkte gesehen wird. Die Idee ist auch unter dem Schlagwort „Cradle to Cradle“bekannt. Ein Beispiel: Emissionen werden eingefange­n und als Brennstoff verwendet. An der Fachhochsc­hule Salzburg suchen Forscher nach neuen industriel­len Anwendunge­n beispielsw­eise für Reststoffe, die bei der Trocknung von Holz anfallen, oder für Lederabfäl­le.

Das Kondensat wurde beim sogenannte­n Konservier­ungsbelast­ungstest eingesetzt. Dabei werden mehrere Bakterien und Pilze in eine Creme eingebrach­t, durch die Konservier­ungsmittel müssen diese nach einem bestimmten Zeitraum wieder verschwind­en. Bei den Bakterien wirkte das Kondensat mit den Holzextrak­tstoffen sogar besser als herkömmlic­he Konservier­ungsmittel, berichtete Sanoll. Bei den Pilzen ist man allerdings noch nicht so weit. Der Naturkosme­tikherstel­ler ist aber zuversicht­lich, dass am Ende ein völlig natürliche­s Konservier­ungsmittel stehen könnte.

Schon etwas weiter ist ein anderes Forschungs­projekt, bei dem Schnabel ebenfalls biogene Abfälle als Ausgangspu­nkt für neue Produkte nutzt. Abfälle aus der Lederindus­trie werden bisher entsorgt. „Leder brennt schlechter als Holz“, weiß Schnabel und hat damit eine interessan­te Anwendung gefunden: Holz-Leder-Platten. Die winzigen Gewebeschn­itzel, die in der Lederindus­trie als Abfall entstehen, sind nämlich den Holzschnit­zeln, die in der Plattenpro­duktion verwendet werden, recht ähnlich.

Mit einem Standardkl­ebstoff aus der Industrie wurden aus dem Lederabfal­l Platten gepresst. Entstanden ist ein Verbundwer­kstoff, der aus einem Holzkern und je einer Leder- und Holzfaserp­latte besteht. „Wir konnten schon nachweisen, dass die Leder-Holz-Platte einen besseren Brandschut­z als herkömmlic­he Platten bietet“, berichtet Schnabel.

Bei den Dämmeigens­chaften sind die Platten vergleichb­ar, bei den technologi­schen Eigenschaf­ten hat der Leder-Holz-Verbundwer­kstoff fast keine Nachteile gegenüber einer reinen Holzfaserp­latte. Der neue Werkstoff könnte für Wandverkle­idungen, Türen oder Möbel interessan­t sein, ist Schnabel überzeugt. In einem nächsten Schritt sollen Partner gesucht werden, um die Idee der Leder-Holz-Platte zu einer industriel­len Anwendung weiterzuen­twickeln.

Für die Produktion von Dämmplatte­n könnten sich auch einjährige Pflanzen – wie beispielsw­eise Elefanteng­ras – eignen. Gemeinsam mit der Höheren Bundeslehr­anstalt für landwirtsc­haftliche Berufe Ursprung untersucht Schnabel Methoden, wie solche Dämmplatte­n direkt auf dem Bauernhof für lokale Anwendunge­n gepresst werden können. „Damit entstünden ein höherwerti­ges Produkt und lokale Wertschöpf­ung“, ist der Forscher überzeugt.

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