Die Psychologie der Lebensmittelverschwendung
Entscheidungen der Konsumenten sind der wichtigste Faktor, um der Vergeudung von Nahrungsmitteln begegnen zu können. Forscher wollen nun den komplexen Zusammenhängen auf die Spur kommen.
1300 Millionen Tonnen. Auf diese unglaublich hohe Masse summieren sich all jene Lebensmittel, die weltweit produziert, aber am Ende doch nicht gegessen werden – weil sie weggeworfen werden. Das ist nicht nur eine immense Verschwendung von Gütern und verursacht riesige unnötige CO2Emissionen. Es ist auch angesichts des Hungers in der Welt ethisch nicht vertretbar.
Zur Lebensmittelverschwendung kommt es in allen Stufen der Produktions- und Wertschöpfungskette. Ein Bereich ragt dabei heraus – was man so eigentlich nicht vermuten würde: 53 Prozent der Verschwendung passiert in den Haushalten. Dagegen nehmen sich die Verluste in anderen Bereichen vergleichsweise gering aus: Elf Prozent unserer Nahrung gehen bei der Urproduktion verloren, 19 Prozent bei der Verarbei- tung, fünf Prozent im Handel, zwölf Prozent bei der Verpflegung.
Will man also etwas gegen die Verschwendung unternehmen, so muss unbedingt auch bei den Konsumenten angesetzt werden. Was dabei die wichtigsten Hebel sind und welche Potenziale in der Praxis gehoben werden könnten, will eine Gruppe von österreichischen Wissenschaftlern herausfinden. Dabei arbeiten Forscher der WU Wien und von Joanneum Research in einem Projekt namens „Food Clim“zusammen, das aus dem Klimaforschungsprogramm ACRP des Klima- und Energiefonds gefördert wird.
Die Forscher verfolgen dabei einen mehrgleisigen Ansatz. Zum einen wird ermittelt, welche CO2-Einsparungen durch einen sparsameren Umgang mit Nahrungsmitteln überhaupt erzielbar sind – dazu bringt Joanneum Research das Know-how bei Lebenszyklusanalysen ein. Zum anderen werden die Entscheidungen der Konsumenten im Detail durchleuchtet. Dazu wurden in Wien und im steirischen Neumarkt moderierte Workshops mit Bürgern durchgeführt, die unter anderem Tagebücher über ihren Umgang mit Lebensmitteln führten. Diese Erfahrungen wurden verschränkt mit einer eingehenden Auswertung der reichen wissenschaftlichen Literatur zum Thema.
Demnach gibt es drei große Gruppen von Einflussfaktoren. Erstens soziodemografische Faktoren: So verschwenden ältere Menschen z. B. weniger Lebensmittel als jüngere. Die Verschwendung steigt mit dem Einkommen, zwischen den Geschlechtern gibt es indes keine klaren Unterschiede.
Zweitens: Die nächste Gruppe von Einflussgrößen umfasst psychosoziale Faktoren wie etwa Achtsamkeit, Problembewusstsein und Wissen über die Zusammen- hänge. Um hier Verbesserungen zu erzielen, sind verstärkte Information und Bildung nötig.
Und drittens gibt es eine lange Liste von Faktoren, die den Umgang von Haushalten mit Lebensmitteln bestimmen. Das beginnt bei der Planung von Einkäufen, geht über die Kochkenntnisse in einer Familie und reicht hin bis zu Unsicherheiten, wie mit Haltbarkeitsangaben auf Lebensmittelverpackungen umzugehen ist.
Für viele dieser Faktoren gibt es Vorschläge, wie sich das Wegwerfen von Lebensmitteln reduzieren ließe – etwa durch kleinere Packungsgrößen oder durch bewussten Einkauf auf Bauernmärkten. Doch bei manchen Faktoren gibt es keine einfachen Lösungen: Wie soll man etwa dem Gefühl mancher Menschen begegnen, dass sie sich „opfern“, übrig gebliebene Reste aufzuessen – anstatt sie zu entsorgen und ihren aktuellen Gusto zu befriedigen?