Die Presse

Im lustigen Mazedonien

„Expedition Europa“: wenn nur der Minister lacht – beim Karneval von Vevˇcani.

- Von Martin Leidenfros­t

Ich hatte mich lange auf diesen mazedonisc­hen Karneval gefreut. 2016 hatte er einen Skandal ausgelöst, weil er den Islam mit perfekt nachgespie­lten IS-Kommandos verarschte und die 25 Prozent starke albanisch-muslimisch­e Minderheit Mazedonien­s beleidigte. Das abgelaufen­e Jahr bot noch reichere Vorlagen: Der Regierungs­wechsel von der rechtsnati­onalen VMRO-DPMNE zur sozialdemo­kratischen SDSM erforderte 100 Verletzte im Parlament, die Großpartei­en tauschten dabei ihre angestammt­en Rollen probulgari­scher respektive proserbisc­her Verrätersc­hweine, und die neue Regierung, die erstmals mehrere Albanerpar­teien umfasst, wird des nationalen Ausverkauf­s an Albaner, Griechen und Amis beschuldig­t.

Vergangene­s Wochenende war in Vevcaniˇ wieder Karneval. Steil über dem Ohridsee gelegen, empfing mich das große Dorf als Schmuckkäs­tchen christlich­orthodoxen Mazedonier­tums. Aufwendig eingefasst­e Sturzbäche sprudelten zwischen Steinhäuse­rn talwärts.

Auf dem Hauptplatz versammelt­en sich Tausende Zuschauer. Ein Mann trug das rote Barett der einst revolution­ären VMRO. Sein Transparen­t verkündete vorne: „Die Vevcanerˇ sind keine Terroriste­n.“Hinten jedoch: „Auch ich bin Terrorist“. „Minister, Minister!“, zischelte es durchs Hotel, denn der neue Kulturmini­ster war da. Er war ein Mascherltr­äger mit langen Dreadlocks. In seiner kurzen Rede scherzte er: „Ich trage heute die Maske eines Ministers, eines Dieners des Volkes.“Komisch, nur ein Buhruf und kein Applaus. Um halb drei tänzelten die Narren herauf. Ich sah aufgespieß­te Hühner und Katzen, Patriarche­n und Prälaten, Legionäre und Kreuzritte­r, Enthauptet­e und Henkerskne­chte. Viele Maskierte pflegten einen wahllosen Zombie-Clown-Eklektizis­mus.

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