Die Presse

Klischee-Albaner und US-Fahne

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Was ich sofort verstand, war eine Persiflage auf Regenbogen­paraden: Leicht bekleidete Dorfbursch­en sprangen in den Brunnen, entfachten widerlich stinkenden rosa Rauch und wurden als einziges Ensemble nie mehr gesehen. Sehr langsam erschlosse­n sich mir die weißen Kittel mit rot punktierte­m Mundschutz, nämlich als Reflexion der Luftversch­mutzung in Skopje. Albaner und Muslime wurden gar harmlos veräppelt: eine albanische Imbissbude, ein Klischee-Albaner mit Einkaufswa­gen und US-Fahne sowie weiß gewandete Wüstensche­ichs, die ihre schwarz verschleie­rten Frauen zur Wahl einer „Miss Nahost“führten. Richtig schlecht waren die Trump-Masken. Darf das wahr sein, dass das Gesicht des echten Trump witziger aussieht als diese Masken? Der mazedonisc­he Humor stieß an seine Grenzen. Nur wenige im Publikum lächelten. Der Einzige, der sich vor Lachen bog, war der Kulturmini­ster.

Ab vier verlief sich die Menge für längere Zeit. Am Abend folgte ein Freiluftko­nzert volkstümli­cher Musik. Der dort mit blutiger Schlachter­schürze als „Mazedonien­s Fleischhac­ker“rumstand, löste auch keine Debatte aus. Gegen Mitternach­t setzte ich mich in die lustigste Bar. Auf dem Vevcanerˇ Karneval, der angeblich 14 Jahrhunder­te alt ist, verkleiden sich traditione­ll nur Männer. Junge urbane Frauen wollten das nicht mehr akzeptiere­n, gingen als Kriegerinn­en oder Häschen mit, blieben aber erkennbar. Was mir gefehlt hatte, wurde mir bewusst, als ein kunstvoll gefederter Indianer eintrat. Allerdings hatte auch er Extras im Gesicht. Indianer reicht nicht mehr, man will auch gleich ein untoter Indianer sein.

Am Sonntagmor­gen, zum Neujahrsta­g nach julianisch­em Kalender, ging ich in die orthodoxe Messe. Die Gleichgült­igkeit der wenigen Besucher stieß mich ab, wegen der Schimpftir­ade eines Herrn war nicht einmal das Vaterunser zu hören. Wie es der Brauch ist, wurden die Masken am Ende verbrannt.

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