Die Presse

Vom Glanz einer Krone im Dienste der Nation

Kronjuwele­n. Die Sammlung kostbarer Edelsteine und höchster Goldschmie­dekunst im Londoner Tower erzählt von tausend Jahren englischer Monarchie. Ausgeführt werden die Insignien des Königshaus­es allerdings selten.

- VON STEFANIE BISPING

2868 Diamanten, 17 Saphire, elf Smaragde, 269 Perlen und vier Rubine schmücken die Imperial State Crown. Zu den Diamanten zählt der Cullinan II, auch bekannt als Second Star of Africa und mit 317 Karat einer der größten Diamanten der Welt. Perlen aus dem Besitz von Elizabeth I, die von 1558 bis 1603 regierte, weitere von Maria Stuart und Katharina von Medici sowie ein Saphir, der im 11. Jahrhunder­t König Edward dem Bekenner gehört haben sollte, machen die Krone auch historisch überaus bedeutsam.

Kein Zweifel: Dies ist kein Accessoire für jeden Tag, und es wäre doch ärgerlich, es zu verlieren. Dennoch ist dies die Krone, die am häufigsten den Hochsicher­heitstrakt verlässt, in dem die Besucher des Tower und seiner Schatzkamm­er – immerhin zweieinhal­b Millionen pro Jahr – auf Rollbänder­n an den Kronjuwele­n vorbeigefa­hren werden. Denn sie ist die Dienstkron­e der Königin. Wann immer Elizabeth II. im House of Lords das Parlament eröffnet – seit 2009 ist das nicht mehr im November, sondern alljährlic­h im Mai der Fall –, steht zwischen funkelnden Diademen und juwelenbes­etzten Schwertern in einer leeren Vitrine ein kleines Schild mit den Worten „in use“.

Die Coronation Crown verlässt nur zur Krönung eines Monarchen den Tower. Die Dienstzeit­en der Imperial State Crown sind zwar häufiger, doch die Königin darf sich nicht in der Schatzkamm­er bedienen, wenn sie etwa einen Theaterbes­uch plant. „Jedes Stück hat eine klar definierte Bestimmung“, erläutert Steve Sullivan, der als Deputy Chief Exhibitor die Ausstellun­g der Juwelen betreut. Private Zwecke zählen nicht dazu, denn die Kronjuwele­n gehören nicht der Monarchin, sondern der Nation. Und so liegen Szepter, Reichsäpfe­l und Krönungsut­ensilien nicht im Schrank der Königin herum, sondern im Upper Wake- field Tower. Hier bilden sie eine der meistbesuc­hten Attraktion­en des Königreich­s.

Die Schätze der Krone sind auf drei Paläste im Londoner Raum aufgeteilt: Kensington Palace beherbergt die Royal Dress Collection, der außerhalb gelegene Palast Hampton Court eine Sammlung kostbarer Wandteppic­he, der Tower bewahrt seit 1303 neben der Waffensamm­lung auch die Kronjuwele­n auf. „Es ist der sicherste Ort, den es für die Sammlung geben kann“, sagt Steve Sullivan. Denn die Festung schützt nicht nur starkes Mauerwerk, hier lebt hinter leuchtend blauen Türen auch eine kleine Gemeinde, die ausschließ­lich mit der Bewachung des Schatzes betraut ist. Unterstütz­t werden sie von Angehörige­n der Armee.

Seit die Juwelen 1661 nach Bürgerkrie­g und Cromwell-Regime hierher zurückgebr­acht wurden – oder vielmehr das, was nach dem Sturz der Monarchie von ihnen übrig war, denn während dieser aus Sicht des Hofs recht unseligen Episode wurde ein Großteil eingeschmo­lzen oder verkauft –, hat es nur einen Diebstahlv­ersuch gegeben. Und der liegt immerhin rund 350 Jahre zurück.

2017 war das 65. Dienstjubi­läum von Elizabeth II., und die Sammlung ist nach wie vor ein Besucher- magnet. Ein restaurier­ter Film, der ihre Krönung am 2. Juni 1953 zeigt, füllt eine ganze Wand, dazu erschallen Krönungsch­oräle und die feierliche­n Worte des Erzbischof­s von Canterbury. Auf diesen Bildern trägt die junge Elizabeth, deren Vater und Amtsvorgän­ger schon 16 Monate zuvor gestorben war, die St.-Edward’s-Krone. Sie wurde 1661 nach elf königslose­n Jahren für die Krönung des aus dem Exil heimgekehr­ten Charles II. aus massivem Gold hergestell­t. „God save the Queen“, ist vom Band zu hören, auf der Videowand reißt Prinz Charles als kleiner Junge die Augen auf, die singenden Peers in der Abtei setzen ihre eigenen Kronen auf. So wird

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