Schwören die Russen dem Wodka ab?
Lebensstil. Die Gesundheitsministerin spricht von 80 Prozent weniger Alkoholkonsum im Land. Statistiken bestätigen den Trend des Rückgangs, allerdings nur um ein Drittel.
Der Wodka gehört zum Russland-Klischee wie der Bär und die Matrjoschka-Puppen. Und tatsächlich, Spuren des übermäßigen Alkoholkonsums bekommt man in dem Land des Öfteren zu sehen: Schwerbetrunkene in der U-Bahn, Männergruppen, die am frühen Vormittag im Park eine Flasche Wodka leeren, und die Berichte über Polizeieinsätze in kleinen Geschäften, die illegal gebrannten Alkohol verkaufen. Rund 6,6 Liter Wodka konsumiert der durchschnittliche Russe pro Jahr. Die Weltgesundheitsorganisation zählt für 2016 einen Jahresverbrauch von reinem Alkohol von 13,9 Litern pro Kopf (Österreich: 10,6).
Doch geht es nach Gesundheitsministerin Veronika Skworzowa, dann ist das Land auf dem Weg der Besserung. Skorzowa überraschte vergangene Woche auf dem Gaidar-Forum, einer alljährlichen Zusammenkunft von Politikern und Experten benannt nach dem liberalen Reformer Jegor Gaidar, mit aktuellen Zahlen zum Thema. Der Gebrauch von alkoholhaltigen Getränken habe in der Russischen Föderation in den vergangenen sieben Jahren um 80 Prozent abgenommen, erklärte die Ministerin, die auch von 22 Prozent weniger Rauchern zu berichten wusste. Diese drastischen Verbesserungen seien dem staatlichen Gesundheitsprogramm zu verdanken, das im ganzen Land umgesetzt worden sei. So gebe es auch um 40 Prozent mehr Menschen, die regelmäßig Sport betrieben.
Das sind Zahlen, die zu schön klingen, um wahr zu sein. Tatsächlich lieferte die Ministerin keine Quelle für ihre Daten.
Mit dem Trend hat die Ministerin recht. Russische Statistiker weisen seit einiger Zeit darauf hin, dass der Konsum von Spirituosen abnimmt. Die offiziellen Daten sprechen von etwa einem Drittel Rückgang im letzten halben Jahrzehnt. 80 Prozent dürfte jedoch weit übertrieben sein. Statt des harten Alkohols wird Bier immer populärer, das in der Konsumationsbeliebtheit derzeit laut der Weltgesundheitsorganisation noch an zweiter Stelle steht.
Kampf gegen Wodkarausch
Behörden in Russland kämpfen seit einiger Zeit gegen den allzu zügellosen Alkoholkonsum der Bevölkerung. Alkohol darf in Moskauer Geschäften zwischen 23 Uhr und acht Uhr früh nicht verkauft werden. Bei jugendlichen Käufern werden relativ streng die Ausweise kontrolliert, da der Verkauf erst ab 18 Jahren gestattet ist. Insbesondere die gesundheitsgefährdenden Spirituosen will man zurückdrängen. 2017 wurde der Mindestpreis für Wodka abermals angehoben (von 190 auf 205 Rubel für einen halben Liter, knapp drei Euro also). Ende des Vorjahres schlugen einige Senatoren des Föderationsrats vor, den Alkoholgehalt von Wodka zu senken – von 38 auf 37,5 Prozent. Und demnächst soll ein neuer Qualitätsstandard für das Getränk eingeführt und die Glasflaschen sollen besonders gekennzeichnet werden.
Mit diesen Qualitätsmaßnahmen will man unter anderem gegen die illegale Spirituosenproduktion vorgehen. Jedes Jahr sterben in Russland Hunderte an den Folgen der Vergiftung mit gepanschtem Alkohol. Die Maßnahmen haben aber auch nicht intendierte Folgen: Wegen der strengeren Gesetze und der angespannten Wirtschaftslage weichen Alkoholkranke auf noch billigere Produkte aus, die nicht zum Trinken geeignet sind, etwa Badezusätze. Und schließlich ist da noch der sogenannte Samogon, Selbstgebrannter. Natürlich ist auch er illegal.