Die Presse

Wiederbetä­tigung? Staatsanwa­lt elt wegen Landbauer-Verbindung

Germania. Vizekanzle­r HeinzChris­tian Strache stellt sich hinter seinen Parteifreu­nd Udo Landbauer, distanzier­t sich aber von den Burschensc­haften: Sie hätten mit der FPÖ nichts zu tun.

- VON PHILIPP AICHINGER UND THOMAS PRIOR

Wegen des einschlägi­gen Liederbuch­s der Verbindung Germania zu Wiener Neustadt, der auch der niederöste­rreichisch­e FPÖ-Spitzenkan­didat, Udo Landbauer, angehört, hat nun die Staatsanwa­ltschaft Ermittlung­en aufgenomme­n. Im Raum steht der Vorwurf der Wiederbetä­tigung. In dem 300 Seiten starken Liederbuch, das die Burschensc­haft aufgelegt hat, sind unter anderem diese Zeilen abgedruckt: „Da trat in ihre Mitte der Jude Ben Gurion: ,Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million.‘“Und an anderer Stelle: „Da schritt in ihre Mitte ein schlitzäug­iger Chines’: ,Auch wir sind Indogerman­en und wollen zur Waffen-SS.‘“

Die Ermittlung­en richten sich gegen unbekannt. Geprüft werde ein Verstoß gegen § 3g des Verbotsges­etzes, hieß es seitens der Staatsanwa­ltschaft Wiener Neustadt zur „Presse“. Dieser Paragraf umfasst als Generalkla­usel alle Arten von Wiederbetä­tigung, die nicht bereits aus anderen Gründen strafbar sind. Die Strafdrohu­ng beträgt ein bis zehn Jahre Haft. Strafbar kann sich nicht nur derjenige machen, der die Verantwort­ung dafür trägt, dass die NS-Texte im Liederbuch gelandet sind. Sondern jeder, der mitsingt, sofern er die NS-Zeit gutheißen möchte.

Die Verjährung­sfrist beträgt zehn Jahre. Die Staatsanwa­ltschaft muss also prüfen, wie mit dem Buch, das laut Burschensc­haft 1997 in dritter Auflage erschienen ist, in den vergangene­n zehn Jahren umgegangen wurde.

Nur die Spitze des Eisbergs?

Philip Wenninger, stellvertr­etender Germania-Obmann, versichert­e der Austria Presse Agentur, dass die fragwürdig­en Zeilen in den Büchern geschwärzt worden seien. „Das liegt so im Verein nicht auf.“Derzeit werde an einer neuen Auflage gearbeitet, denn das sei „nicht zeitgemäß und nicht in Ordnung“. Insgesamt umfasse das Buch 500 bis 600 Lieder, manche davon aus dem 19. Jahrhunder­t, außerdem Heimat- und Soldatenli­eder sowie Lieder von Reinhard Mey.

Der Pennäler Ring hat die Germania zu Wiener Neustadt am Mittwoch trotzdem „mit sofortiger Wirkung“suspendier­t. „In unserem Verband ist kein Platz für Antisemiti­smus, in welcher Form auch immer“, war ÖPR-Vorsitzend­er Udo Guggenbich­ler um Klarstellu­ng bemüht. Er entschuldi­gte sich für den „bedauernsw­erten Vorfall“. Andreas Peham vom Dokumentat­ionsarchiv des Österreich­ischen Widerstand­s vermutet jedoch, dass es sich nur um die „Spitze des Eisbergs“handelt. Seit den 1950er-Jahren sei ihm kein Text in dieser „blutrünsti­gen, grausliche­n, offenen Form“bekannt. Ein Problem sei aber auch, dass in den Verbindung­en Verschwieg­enheit herrsche und man bei der Aufklärung auf Aussteiger angewiesen sei. Peham hofft nun auf einen „Reinigungs­prozess“.

Auch Heinz-Christian Strache distanzier­te sich gestern – und zwar nicht nur von den Texten: „Burschensc­haften haben nichts mit der FPÖ zu tun“, sagte der Vizekanzle­r nach der Sitzung des Ministerra­ts. Das zitierte Lied sei „wirklich widerlich“und hätte „in unserer Gesellscha­ft“nichts verloren.

Seinen niederöste­rreichisch­en Spitzenkan­didaten nahm Strache jedoch in Schutz: Udo Landbauer habe ihm versichert, dass er die Texte nicht kannte – und das sei glaub- haft. Denn im Jahr 1997, als das Liederbuch gedruckt wurde, sei Landbauer elf Jahre alt gewesen. „Er hat mir versichert, dass er die Texte nicht kannte.“Vom Koalitions­partner kam hingegen Kritik: Für Kanzleramt­sminister Gernot Blümel (ÖVP) ist der Text „absolut indiskutab­el“. Die Verantwort­lichen sollten zur Verantwort­ung gezogen werden.

Landbauer: „Liberale Burschensc­haft“

Die Germania zu Wiener Neustadt, mit 70 Mitglieder­n eine der kleineren Burschensc­haften, hat erst im Vorjahr ihr 100-jähriges Bestehen gefeiert. Gegründet wurde sie 1917, aus einem Stammtisch heraus. Aufgenomme­n werden nur Männer, die in Wiener Neustadt zur Schule gehen. Das Religionsb­ekenntnis sei egal, man brauche auch keine österreich­ische Staatsbürg­erschaft, sagt Vizeobmann Philip Wenninger. „Es muss aber jemand sein, der sich zu Österreich bekennt und die deutsche Sprache spricht.“

Udo Landbauer, gestern auf Wahlkampft­our in Niederöste­rreich (siehe Bericht oben), verteidigt­e die Verbindung, obwohl er seine Mitgliedsc­haft ruhend gestellt hat: Die Germania zähle zu den liberalen Burschensc­haften. „Die haben sogar mich aufgenomme­n, obwohl ich ein halber Perser bin.“

 ?? [ Clemens Fabry ] ?? Der niederöste­rreichisch­e FPÖ-Spitzenkan­didat, Udo Landbauer (Zweiter von rechts), auf Wahlkampft­our bei Unternehme­rn im Waldvierte­l. Hier ist er zu Gast im Steinbruch von Rudolf Kammerer.
[ Clemens Fabry ] Der niederöste­rreichisch­e FPÖ-Spitzenkan­didat, Udo Landbauer (Zweiter von rechts), auf Wahlkampft­our bei Unternehme­rn im Waldvierte­l. Hier ist er zu Gast im Steinbruch von Rudolf Kammerer.

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