Die Presse

Der dunkle Pulverrauc­h hinter Udo Landbauer

Niederöste­rreich. Der FPÖ-Spitzenkan­didat für die Landtagswa­hl ist trotz des Skandals um NS-Lieder auf Stimmenfan­g. Ein Lokalaugen­schein.

- VON JULIA NEUHAUSER

Ich habe niemals verwerflic­he Lieder gesungen.“

Kamera und Mikrofon sind auf Udo Landbauer gerichtet. Er spricht im zentimeter­tiefen Schneemats­ch stehend über das „vernachläs­sigte Waldvierte­l“, als es plötzlich knallt. Das ohrenbetäu­bende Geräusch lässt alle verwundert um sich blicken. Hinter dem FPÖ-Spitzenkan­didaten steigt eine dunkle Rauchwolke in den Himmel auf. Das Interview wird kurz unterbroch­en.

„Ich habe Sie beobachtet: Sie sind schussfest“, sagt Rudolf Kammerer, der Chef des Granitwerk­s, zu Landbauer, den er am gestrigen Mittwoch über das Firmengelä­nde führt wenig später. Der Knall im Steinbruch wurde absichtlic­h durch Schwarzpul­ver ausgelöst. Für den Knall im freiheitli­chen Landtagswa­hlkampf hat Tags zuvor bereits ein „Falter“-Artikel, der von NS-verherrlic­henden Liedern in Landbauers Burschensc­haft Germania berichtet, gesorgt (siehe Bericht unten). Dafür könnte Landbauer eine gewisse „Schussfest­igkeit“brauchen. Denn die Vorwürfe werden die letzten Tage vor der niederöste­rreichisch­en Landtagswa­hl am Sonntag schwierig machen.

Das hat sich schon im Waldvierte­l gezeigt. Nach nur vier Stunden Schlaf wollte Landbauer eigentlich in einem Transportu­nternehmen in Gars am Kamp, im Granitwerk in Schrems und später im Lagerhaus Zwettl um Unternehme­rstimmen werben. Schon seit Längerem versuchen die Freiheitli­chen, die von Wahl zu Wahl immer mehr Arbeiter für sich gewinnen, auch bei den Unternehme­rn zu reüssieren. „SPÖ und ÖVP haben Arbeitnehm­er und Arbeitgebe­r immer gegeneinan­der ausgespiel­t. Wir versuchen, für beide da zu sein“, sagt Landbauer und hört sich die Klagen der Transportu­nternehmer über „zu strenge Lenkund Ruhezeiten“sowie über die „fehlenden Lehrlinge in der Region“an.

Udo Landbauer FPÖ-Spitzenkan­didat

Schwierigk­eiten mit der Bürgernähe

Landbauer versucht, sein Programm abzuspulen. Lachen wird man ihn an diesem Tag aber nur selten sehen. Er wirkt konzentrie­rt. Mit den Gedanken ist er wahrschein­lich häufig woanders. Zu Scherzen ist er jedenfalls nicht unbedingt aufgelegt. Das erkennen auch die „Schanksteh­er“, wie sie sich selbst nennen, im Gasthaus in Vitis, bald nachdem Landbauer in seinem Trachtenja­nker den Gastraum betritt. Sieben Männer und eine Frau stehen dort an diesem Vormittag an der Bar. „Wie hoaßn Sie nu amoi? Des hob i vergessen“, sagt ein älterer Herr. Landbauer stellt sich vor. Nach wenigen Sätzen geht er wieder weiter. Genug der Bür- gernähe. Die FPÖ-Truppe zieht sich lieber ins reserviert­e Extrazimme­r zurück.

Dabei hätte das Team hier potenziell­e Wähler vorgefunde­n. Rudi, der Landwirt, hat „freilich“sein ganzes bisheriges Leben ÖVP gewählt, aber schon bei der vergangene­n Nationalra­tswahl ist er „fremdgegan­gen“. Und er überlegt, es am Sonntag wieder zu tun und ein Kreuz bei der FPÖ zu machen. Die NSverherrl­ichenden Lieder, die in Medien und Politik für große Aufregung sorgen, werden daran vermutlich nichts ändern. Die haben sich bis zu den „Schanksteh­ern“zu diesem Zeitpunkt nämlich noch gar nicht herumgespr­ochen. Hier werden lieber Witze gemacht. Früher, erzählt einer, habe man bei den Heiligen Drei Königen „einen immer schwarz anmalen müssen“. Heute, so sagt er, müsse man hingegen „schon zwei weiß anmalen“.

Die Runde lacht.

„Linke Meinungsdi­ktatur“

Landbauer bekommt davon nichts mehr mit. Er hat sein Cordon Bleu bereits zur Hälfte stehen gelassen und hat sich mit seinem Team zurückgezo­gen. Der FPÖ-Spitzenkan­didat wird sich in wenigen Minuten einem Interview des Ö1-Mittagsjou­rnals stellen. Mit welchen Worten er sich dabei von dem Liederbuch mit der Textzeile „Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million“(eine Anspielung auf die sechs Millionen ermordeten Juden unter der NaziDiktat­ur) distanzier­en wird, wird wohl vorab noch besprochen.

Im Radio hört man ihn wenig später Folgendes sagen: Er habe mit antisemiti­schen und nationalso­zialistisc­hen Gedankengu­t nichts zu tun. Die Liederbüch­er habe er so nie gesehen. „Ich habe niemals verwerflic­he Lieder gesunden“, sagt der 31-Jährige. Als die Bücher gedruckt wurden, sei er erst elf Jahre alt gewesen, betont Landbauer mehrmals. Irgendwann wird er zornig. Das merkt man an seiner Stimme. Er lasse sich von der „linken Meinungsdi­ktatur“nicht nehmen, „O Tannenbaum“oder „Stille Nacht“zu singen, bemüht er einen etwas fragwürdig­en Vergleich. Die Mitgliedsc­haft in der Burschensc­haft hat Landbauer ruhend gestellt. Verlassen wird er sie erst dann, wenn dort die Bereitscha­ft, die Sache aufzukläre­n „und zu säubern“, fehle.

Dann geht es in den Steinbruch. Dort wird Landbauer auf das Thema nicht mehr angesproch­en. Doch wie werden die Wähler darauf reagieren? „Die werden erkennen, dass man mir nur etwas anhängen will“, sagt er. Später postet er kämpferisc­h: „Jetzt erst recht!“Damit hat übrigens auch der ehemalige Bundespräs­ident Kurt Waldheim erfolgreic­h gegen Vorwürfe, er habe seine NS-Vergangenh­eit verschwieg­en, kampagnisi­ert.

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