Der Besuch des Friedensbringers
Kolumbien/Österreich. Am Freitag kommt der kolumbianische Präsident, Juan Manuel Santos, nach Wien. Er schloss das Abkommen mit den Farc-Rebellen. Doch daheim sinkt seine Popularität.
Fern der Heimat gilt der Prophet noch was. Wenn Juan Manuel Santos am Freitag Österreich mit einem offiziellen Staatsbesuch beehrt, dann dürfte Kolumbiens Präsident auch als Träger des Nobelpreises empfangen werden, den er verliehen bekam für seine Verdienste um jenen Frieden, dem er alles andere unterordnete. Dass Santos’ Zustimmungswerte daheim auf unter 15 Prozent gerutscht sind, dürfte weder den Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen noch den Bundeskanzler Sebastian Kurz irritieren. Beide werden mit allen Ehren den Mann empfangen, der den längsten Krieg in der Geschichte des amerikanischen Kontinents beendete.
Santos kommt aus Davos nach Wien. Beim Weltwirtschaftsforum in den Graubündner Bergen wollte er noch einmal Werbung machen für sein Lebenswerk. Kolumbien, diese schlummernde Tropenschönheit, möchte endlich wachgeküsst werden durch internationale Investoren. Der Friedens- schluss mit der Untergrundorganisation Farc ist die wichtigste Basis, die Santos hinterlassen wird, aber es gibt auch weitere. Etwa die in den vergangenen Jahren massiv vorangetriebenen Infrastrukturprojekte in dem Land mit den drei Andenketten. Am Bau von Straßen, Tunnels und Brücken sind auch österreichische Unternehmen wie etwa die Strabag beteiligt, der Pazifikhafen Buenaventura wurde massiv ausgebaut, auch der Rio Magdalena, der größte Fluss des Landes, soll bald vertieft werden. Südamerikas nördlichstes Land liegt an Karibik und Pazifik, es hat eine robuste Justiz und Freihandelsabkommen mit der EU und den USA, Unternehmen können ihre Gelder ohne Einschränkungen transferieren.
All das dürfte Juan Manuel Santos in Davos und auch in Wien wiederholen, in der Hoffnung, dass mögliche Investoren langfristige Entscheidungen treffen, trotz mancher Mühen des Alltags.
Denen verdankt Santos seinen kontinuierlichen Popularitätsverlust. Dass auch in seiner Wahlkampfkasse Gelder des brasilianischen Schmierimperiums Odebrecht aufgetaucht sind, trug dazu bei. Ebenso der wenig populäre Beschluss, zur Budgetsanierung die Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent anzuheben.
Vor allem verdross Santos’ kühne Entscheidung, das negative Ergebnis des Referendums über den Friedensschluss mit der Farc zu ignorieren und binnen weniger Monate das No zum Si zu wandeln. Damit löste er ein Dauerfeuer seiner politischen Widersacher vom rechten Rand aus, das orchestriert wird von seinem Amtsvorgänger und einstigen Förderer, A´lvaro Uribe. Dessen Lager wettert darüber, dass Farc-Führer Rodrigo London˜o heute seine Präsidentschaftskandidatur planen kann, anstelle für die Morde und Entführungen der Millionäre zu büßen.
Uribes Gefolge fragt, unterstützt von der mächtigen US-Botschaft, warum sich die Koka-Anbaufläche nach dem Friedensschluss verdoppelt hat. Es wettert, dass das Machtvakuum, das die Farc hinterließ, oft nicht vom Staat, sondern von Syndikaten gefüllt wurde, oft mit Verbindungen zu mexikanischen Kartellen.
All diese Themen sind Gegenstand der Kampagnen vor der Parlamentswahl am 11. März – und vor der Kür von Santos’ Nachfolger im Mai. Der Präsident darf nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten. Die rechtskonservative Opposition hat bereits ihren Kandidaten: Der 41-jährige Ivan´ Duque sitzt für das Centro Democratico im Senat, er gilt als enger Vertrauter von dessen Führer, A´lvaro Uribe. Auf links zeichnet sich die Kandidatur von Gustavo Petro ab, eines Ex-Guerillero, der von 2012 bis 2015 Bürgermeister der Hauptstadt Bogota´ war. Duque und Petro vereint der Umstand, dass ihre Ablehnungswerte höher sind als die Zustimmungsraten.
Der einzige Kandidat mit positivem Ansehen ist der Mathematikprofessor Sergio´ Fajardo. Er hat in seinem Leben bereits ein politisches Wunder vollbracht, als er seine Heimatstadt Medell´ın aus den Klauen des Verbrechens befreite. Unter Fajardos Ägide begann Kolumbiens zweitgrößte Metropole eine beispiellose Konversion von der Welt-Mordhauptstadt zu einem Standort für internationale Unternehmen. Er positioniert sich zwischen dem linken Petro und dem rechten Duque. Juan Manuel Santos könnte Mühe bekommen, einen eigenen Kandidaten in der Mitte zu installieren.