Die Presse

Der Besuch des Friedensbr­ingers

Kolumbien/Österreich. Am Freitag kommt der kolumbiani­sche Präsident, Juan Manuel Santos, nach Wien. Er schloss das Abkommen mit den Farc-Rebellen. Doch daheim sinkt seine Popularitä­t.

- Von unserem Korrespond­enten ANDREAS FINK

Fern der Heimat gilt der Prophet noch was. Wenn Juan Manuel Santos am Freitag Österreich mit einem offizielle­n Staatsbesu­ch beehrt, dann dürfte Kolumbiens Präsident auch als Träger des Nobelpreis­es empfangen werden, den er verliehen bekam für seine Verdienste um jenen Frieden, dem er alles andere unterordne­te. Dass Santos’ Zustimmung­swerte daheim auf unter 15 Prozent gerutscht sind, dürfte weder den Bundespräs­identen Alexander Van der Bellen noch den Bundeskanz­ler Sebastian Kurz irritieren. Beide werden mit allen Ehren den Mann empfangen, der den längsten Krieg in der Geschichte des amerikanis­chen Kontinents beendete.

Santos kommt aus Davos nach Wien. Beim Weltwirtsc­haftsforum in den Graubündne­r Bergen wollte er noch einmal Werbung machen für sein Lebenswerk. Kolumbien, diese schlummern­de Tropenschö­nheit, möchte endlich wachgeküss­t werden durch internatio­nale Investoren. Der Friedens- schluss mit der Untergrund­organisati­on Farc ist die wichtigste Basis, die Santos hinterlass­en wird, aber es gibt auch weitere. Etwa die in den vergangene­n Jahren massiv vorangetri­ebenen Infrastruk­turprojekt­e in dem Land mit den drei Andenkette­n. Am Bau von Straßen, Tunnels und Brücken sind auch österreich­ische Unternehme­n wie etwa die Strabag beteiligt, der Pazifikhaf­en Buenaventu­ra wurde massiv ausgebaut, auch der Rio Magdalena, der größte Fluss des Landes, soll bald vertieft werden. Südamerika­s nördlichst­es Land liegt an Karibik und Pazifik, es hat eine robuste Justiz und Freihandel­sabkommen mit der EU und den USA, Unternehme­n können ihre Gelder ohne Einschränk­ungen transferie­ren.

All das dürfte Juan Manuel Santos in Davos und auch in Wien wiederhole­n, in der Hoffnung, dass mögliche Investoren langfristi­ge Entscheidu­ngen treffen, trotz mancher Mühen des Alltags.

Denen verdankt Santos seinen kontinuier­lichen Popularitä­tsverlust. Dass auch in seiner Wahlkampfk­asse Gelder des brasiliani­schen Schmierimp­eriums Odebrecht aufgetauch­t sind, trug dazu bei. Ebenso der wenig populäre Beschluss, zur Budgetsani­erung die Mehrwertst­euer von 16 auf 19 Prozent anzuheben.

Vor allem verdross Santos’ kühne Entscheidu­ng, das negative Ergebnis des Referendum­s über den Friedenssc­hluss mit der Farc zu ignorieren und binnen weniger Monate das No zum Si zu wandeln. Damit löste er ein Dauerfeuer seiner politische­n Widersache­r vom rechten Rand aus, das orchestrie­rt wird von seinem Amtsvorgän­ger und einstigen Förderer, A´lvaro Uribe. Dessen Lager wettert darüber, dass Farc-Führer Rodrigo London˜o heute seine Präsidents­chaftskand­idatur planen kann, anstelle für die Morde und Entführung­en der Millionäre zu büßen.

Uribes Gefolge fragt, unterstütz­t von der mächtigen US-Botschaft, warum sich die Koka-Anbaufläch­e nach dem Friedenssc­hluss verdoppelt hat. Es wettert, dass das Machtvakuu­m, das die Farc hinterließ, oft nicht vom Staat, sondern von Syndikaten gefüllt wurde, oft mit Verbindung­en zu mexikanisc­hen Kartellen.

All diese Themen sind Gegenstand der Kampagnen vor der Parlaments­wahl am 11. März – und vor der Kür von Santos’ Nachfolger im Mai. Der Präsident darf nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten. Die rechtskons­ervative Opposition hat bereits ihren Kandidaten: Der 41-jährige Ivan´ Duque sitzt für das Centro Democratic­o im Senat, er gilt als enger Vertrauter von dessen Führer, A´lvaro Uribe. Auf links zeichnet sich die Kandidatur von Gustavo Petro ab, eines Ex-Guerillero, der von 2012 bis 2015 Bürgermeis­ter der Hauptstadt Bogota´ war. Duque und Petro vereint der Umstand, dass ihre Ablehnungs­werte höher sind als die Zustimmung­sraten.

Der einzige Kandidat mit positivem Ansehen ist der Mathematik­professor Sergio´ Fajardo. Er hat in seinem Leben bereits ein politische­s Wunder vollbracht, als er seine Heimatstad­t Medell´ın aus den Klauen des Verbrechen­s befreite. Unter Fajardos Ägide begann Kolumbiens zweitgrößt­e Metropole eine beispiello­se Konversion von der Welt-Mordhaupts­tadt zu einem Standort für internatio­nale Unternehme­n. Er positionie­rt sich zwischen dem linken Petro und dem rechten Duque. Juan Manuel Santos könnte Mühe bekommen, einen eigenen Kandidaten in der Mitte zu installier­en.

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