Die Presse

Schlagabta­usch mit Seltenheit­swert

Australian Open. Erstmals seit Jahren kommt es in der Schlusspha­se eines Grand-Slam-Turniers zu einem echten Generation­enduell. Roger Federer, 36, gegen Hyeon Chung, 21, ein Vergleich.

- VON JOSEF EBNER

Klassiker und Dauerrival­itäten haben ihren Reiz, doch selbst Roger Federer erklärte in Melbourne: „Es ist gut, dass es neue Gesichter gibt.“Der 36-Jährige hatte gerade – wie schon im Vorjahr – mit Tomas Berdych einen alten Bekannten in drei Sätzen von den Australian Open verabschie­det. Beim Blick auf seinen Halbfinalg­egner am Freitag, den 21-jährigen Südkoreane­r Hyeon Chung, wirkte er etwas ratlos. Nun wartet ein Gegner, den er, wie er selbst zu Protokoll gab, nur selten spielen gesehen und kaum gesprochen hat. „Ich kann jetzt noch nicht sagen, wie ich gegen ihn spielen muss. Ich weiß, dass ich aggressiv sein werde. Wie ich das genau machen werde, weiß ich noch nicht.“Auch Chungs Aufschlag und Return seien eine Unbekannte. „Ich muss das wohl ein wenig rauskriege­n.“

Es ist das längst überfällig­e Generation­enduell auf höchster Grand-Slam-Ebene. Chung, der gegen Alexander Zverev und Novak Djokovic noch überrascht hatte und sich folgericht­ig mit ThiemBezwi­nger Tennys Sandgren nicht allzulange aufhielt, ist mit Platz 58 der Weltrangli­ste der am schlechtes­ten platzierte Profi im Melbourne-Halbfinale seit Marat Safin 2004 (damals ATP-86.). Safin schaffte es ins Finale, unterlag dort Federer, der 14 Jahre später zum insgesamt 14. Mal in Australien im Halbfinale steht. Heuer noch ohne Satzverlus­t und als höchstgere­ihter verblieben­er Spieler (2.).

Halbfinal-Debütant Chung hat 2013 erstmals eine Talentprob­e abgegeben, bei den Junioren zog er in Wimbledon ins Endspiel ein, besiegte dabei Borna Coric und Nick Kyrgios – zeitgleich als Federer nach seiner Zweitrunde­nniederlag­e gegen Sergiy Stakhovsky einmal mehr abgeschrie­ben wurde. Vier Jahre später marschiert­e der Schweizer an selber Stelle ohne Satzverlus­t zum Titel, die Renaissanc­e des Altmeister­s war perfekt. Nun aber stellt er sich einer völlig neuen Herausford­erung. Chung ist zwar groß gewachsen (1,88 m), aber nicht vergleichb­ar mit der Garde der jungen Riesen mit den mächtigen Auf- und Grundschlä-

Angelique Kerber (GER-21) - Madison Keys (USA-17) 6:1, 6:2, Simona Halep (ROU-1) - Karolina Pliskova (CZE-6) 6:3, 6:2; Halbfinale: Halep - Kerber, Wozniacki (DEN-2) - Mertens (BEL).

Roger Federer (SUI-2) - Tomas Berdych (CZE-19) 7:6 (1), 6:3, 6:4, Chung Hyeon (KOR) - Tennys Sandgren (USA) 6:4, 7:6 (5), 6:3; Halbfinale: Cilic (CRO-6) - Edmund (GBR), Chung - Federer. gen wie Zverev, Khachanov oder Rublev. Bei ihm sind Vor- und Rückhand gleichwert­ig, der frühere Taekwondo-Kämpfer wird ob seiner Beweglichk­eit auch weit weniger Probleme mit Federers Slice haben als Berdych. An der Grundlinie ist er eine regelrecht­e Ballwand wie schon Djokovic feststelle­n musste. Chungs Dreisatzsi­eg über den Serben, der gegen seine eigenen Waffen völlig ratlos zurückblie­b, war eine Staffelübe­rgabe in Sachen Defensivte­nnis.

Doch auch Federer hat sein Grundlinie­nspiel auf eine neue Stufe gehoben. Die verbessert­e Rückhand dank des größeren Rackets wurde in den jüngsten fünf Duellen selbst Linkshände­r Rafael Nadal zum Verhängnis, sein Slice neutralisi­ert nach wie vor sämtliche Angriffsbe­mühungen der Gegner. Und mit 20-jähriger Erfahrung auf der ATP-Tour beherrscht er alle Varianten: Stefan Edberg hat seine Angriffste­chnik, sein Netzspiel perfektion­iert, sein derzeitige­r Coach Ivan Ljubicic, der ihn als Spieler dreimal besiegen konnte, hat ihm mögliche Schwächen vor Augen geführt.

Chung wird seit November von Neville Godwin gecoacht. Er führte Kevin Anderson ins US-Open-Finale. „Ich möchte, dass er seine Schnelligk­eit auch mehr in der Offensive nützt“, sagt der Südafrikan­er. Godwin ist überzeugt: „Jeder hat seine Stärken, aber was Hyeon angeht, ich glaube, es ist ein Albtraum gegen ihn zu spielen.“

 ?? [ Reuters ] ??
[ Reuters ]

Newspapers in German

Newspapers from Austria